Geschätzte Leser des Lehrerforums!

Unter vielen interessanten Artikeln der heutigen Presse, Sonderbeilage "UNI-Live!" Sommersemester 2002, (www.diepresse.com)(Archiv) findet sich folgender Beitrag einer Schülerin einer AHS, der in seiner Klarheit lesenswert ist, aber auch die Frage aufwirft: Wo bleiben die Eltern, um das aufgezeigte Manko in unserer AHS auszugleichen?

Mit freundlichen Grüßen,

Heinrich Kreissl


diepresse.com/Archiv
23.02.2002 - Bildung

Was kümmert's mich, was nachher ist?

Matura ist kein Beruf - und dennoch stehen viele 18- und 19jährige nach der Reifeprüfung ohne weitergehende Jobvorstellungen da. Ein Erfahrungsbericht.

VON KARIN PFANDLER

Die Zeit läuft - der Countdown zu meiner Reifeprüfung. Doch besitze ich tatsächlich schon die mir abverlangte Reife? Wie kann ich zwischen Schularbeiten, mündlichen und schriftlichen Prüfungen ständig den Tag der Maturantenverabschiedung herbeisehnend, ein Leben nach der sanften Diktatur Gymnasium in Erwägung ziehen? Matura. Sechs simple Buchstaben, die acht Jahre lang das große Finale signalisieren, das mehr oder weniger emsig verfolgt, nun plötzlich vor einem steht. Etliche Schweißausbrüche, Blackouts und Verzweiflungsanfälle später wird alles auch schon wieder vorbei sein und Ratlosigkeit wird sich breitmachen. Die Frage: "Matura, was nun?" kann nicht mehr verdrängt werden, und spätestens im Herbst wird einem klar werden, daß man von all den Möglichkeiten und Berufswegen, die sich nun eröffnen, im Grunde genommen keine Ahnung hat. Der Lehrapparat zeichnet bei uns anscheinend nur dafür verantwortlich, die Schülerschaft mit Wissen zu versorgen. Auf individuelle Jobperspektiven, Wünsche, Fragen kann oder will nicht eingegangen werden, jeder hat anderes im Kopf, und Zeit ist schließlich Stoff. So kommt es, daß ein Großteil der Maturanten und Maturantinnen große Probleme hat, den Platz in der rauhen Arbeitswelt außerhalb der heiligen Schulhallen zu finden. Zur Passivität erzogen Als ein weiteres großes Problem sehe ich die Passivität, zu der wir Gymnasiasten erzogen werden. Eigeninitiative wird uns nicht beigebracht. Wenn wir einfach das "Soll" erfüllen und größtenteils anwesend sind, ist alles in Butter und das Zeugnis gerettet. Manche Lehrkräfte tragen ihren Sorgenkindern sämtliche Aufgaben sozusagen hinterher und betteln fast sprichwörtlich um deren Erfüllung. Daß ein solches Verhalten keine Eigeninitiative im späteren Berufsleben fördert, liegt auf der Hand. Auch permanentes "Zu-spät-Kommen" und Nachlässigkeit beim Besuchen des Nachmittagsunterrichtes werden toleriert, jedenfalls folgen keine ernsthaften Konsequenzen. Sicher gibt es Schüler, die im Glauben leben, daß dieser legere Lebensstil auch am Arbeitsplatz möglich sein wird. Der tatsächliche Konkurrenzkampf, der im Berufsleben herrscht, wird eine solche Einstellung aber nicht zulassen. Später wird niemand mehr an unseren guten Willen appellieren und freundlich bitten, doch etwas zu lernen oder dieses und jenes abzugeben. Wer als Berufstätiger im Job nicht Einsatz zeigt und sich fortbildet, sondern stets bloß die Mindestpflichten erfüllt, wird schnell den kürzeren ziehen. Deshalb sollte es keine Bildungslehranstalt verabsäumen, den Schülern praktisches Wissen beizubringen und zu Selbstständigkeit und Eigeninitiative zu erziehen. Denn wem nützt das beste Maturazeugnis, wenn er unfähig ist, sich im Berufsalltag gut zu verkaufen? Wenn diese Art von Bildung nicht ausreichend geschieht, sind frustrierte Maturanten und Maturantinnen die Folge, die zweitklassige Jobs annehmen, die weder ihrer Qualifikation noch ihren Interessen entsprechen. Ein stärkeres Orientieren am wirklichen Leben - besonders in der Oberstufe - ist das, was unser Schulsystem benötigt, um fähige, dynamische junge Menschen für die Berufswelt bestmöglich vorzubereiten. Damit diese ihr Wissen und ihre Fähigkeiten schließlich auch im Beruf ihrer Wahl umsetzen können, sollte auch vermehrt und schon in den Unterstufen über möglichst viele Berufszweige informiert werden. Vier Wochen Arbeitswelt Eine einmalige "Berufspraktische Woche" kann dies freilich nicht bieten, sondern lediglich Einblick in eine von vielen Möglichkeiten gewähren. Auch hier ist wieder Eigeninitiative verlangt, indem man sich Ferialjobs sucht, um wenigstens vier Wochen lang Teil der Arbeitswelt zu sein. Leider kann ich nicht beurteilen, wie an anderen Schulen mit dem Thema "Berufsinformation" umgegangen wird, an meiner jedenfalls wird es ganz nach dem Motto "Was kümmert's mich, was nachher ist?" - sowohl von Lehrern als auch von Schülern - gerne unter den Teppich gekehrt. Dabei finde ich, daß es von immenser Wichtigkeit ist, schon beim Einstieg ins Gymnasium die jeweiligen Stärken, Schwächen, Neigungen und Talente der Schüler zu erfassen, um sie dementsprechend fördern zu können. So wird auch schneller deutlich, wer sich für welche Tätigkeiten eignet, was stark dazu beiträgt, einen klaren Berufswunsch zu entwickeln. Erst dann macht es wirklich Sinn, mit Schülern diverse Messen, Ausstellungen oder auch Betriebe im Rahmen von Lehrausgängen zu besuchen. Schulpartnerschaften mit einigen Firmen sind ja meist zur Genüge vorhanden. Eine Schule wie meine, die größte AHS Österreichs, sollte ihre Schüler nicht im Regen stehen lassen, sondern bestmöglich (aus-)bilden. Wenn auch nicht jede Art von Bildung gelehrt werden kann - etwa der Umgang miteinander -, so sollte es doch Standard sein zu informieren, was nachher kommt und was wir daraus machen können.

Die Autorin ist Schülerin einer achten Klasse des GRG XXI in Wien-Floridsdorf. © Die Presse | Wien





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