Lieber Kollege Wittek,
> Danke für den ausführlichen Bericht. Ich entnehme diesem, dass für den
> ÖGB insgesamt die Formel gilt "Gesamtproduktivität plus
Inflationsrate",
> aber
> für die GÖD gilt die Formel "einen Reallohnverlust möglichst
vermeiden".
> (eine Entschädigung für die in der Vergangenheit erlittenen
Lohnverluste
> wurde demnach gar nicht einmal angedacht, oder?)
>
Ich glaube, die Geschichte ist leider gar nicht so einfach, denn die haben dort wirklich mit Erstaunen den Unterschied festgestellt, dass die anderen von Reallohnzuwachs reden und sie vom verhinderten Verlust. Das war gar nicht absichtlich, sondern hat sich erst in der Diskussion in der kleinen Gruppe ergeben. Es ist auch sicher nicht so, dass man derzeit davon ausgehen kann, dass es im ÖGB in dieser Frage zwei Linien gibt, deren eine defensiv und die andere offensiv ist. Im Übrigen bin ich sicher, hätten einige andere Fachgewerkschaften dieses Problem debattiert, wären sicher ähnliche Probleme aufgetaucht, denn auch dort gibt es teilweise sehr viel Druck, der eben die Gewerkschaft in die Defensive bringt.
> Stellt sich damit nicht die GÖD bewußt und provokativ außerhalb des
ÖGB?
> Kann es sein, dass die Gesamtorganisation ein derart schwaches, lahmes
> Glied in ihrer starken Kette dulden kann? Gab es nicht endlich von
den
> ÖGB-Oberen die notwendige Kopfwäsche für diese die
Gewerkschaftsbewegung
> schädliche und feige Politik? Bei einem Zukunftskongreß soll doch
auch
> angesprochen werden, was in Zukunft anders werden soll, aber auch nach
> nochmaliger Lektüre habe ich das in dieser bizarren Erlebniswelt
leider
> nicht gefunden.
Andererseits war mein Eindruck, dass auch bei den Kollegen, die hier markig das Eingemachte fordern, ziemlich viel Zweckoptimismus dabei ist. Man muss allerdings sagen, dass heuer die Lohnabschlüsse wirklich nicht so schlecht waren (leider nicht im ÖD), aber bei mir hält sich nach einigem Nachdenken doch der Eindruck, hier sollte hauptsächlich die Einigkeit und die große ohnehin schon beschlossene Linie dargestellt werden. Andererseits nützt das vielleicht auch in der GÖD für die Debatte vor den nächsten Verhandlungsrunden.
> Vermutlich deswegen, weil hier - Kollege Koller, bitte nicht
persönlich
> nehmen - zu viele "Spitzenfunktionäre" diskutieren, denen der Bezug
zur
> Basis
> fehlt, weil sie nicht willens sind, unsere Interessen gegen den
Willen
> der
> Regierung durchzusetzen. Und damit ist der Karren verfahren.
>
Das mit den Spitzenfunktionären nehme ich überhaupt nicht übel, Ich hab mir halt wieder ein Wochenende mit Arbeit gegeben (in Summe 12 Stunden Bahnfahrt für 4 Stunden Konferenz), aber ich habe viel gelernt und für die nächsten Auseinandersetzungen in der GÖD wieder etwas Material gesammelt. Ich unterstelle auch den meisten dieser Funktionäre gar nicht, dass sie nicht wissen, wie es an der Basis ausschaut, aber sie wissen wohl auch, wie es im ÖGB ausschaut und wie viel Chancen sie bei dem derzeitigen Organisationsgrad haben.
Trotzdem geht es denen noch besser, denn die Spitzen der Wirtschaft wissen wenigstens was sich gehört und verhandeln. Die GÖD kann lang ersuchen, bis irgendwer überhaupt mit ihr redet. Das muss man schon auch sehen, dass hier derzeit keine einfache Situation herrscht.
> Wenn die Gewerkschaftsbewegung Zukunft haben will, dann müssen die
> Betroffenen sich selber organisieren und dürfen nicht zulassen, dass
ihnen
> von den Funktionären der "eigenen Organisation" aus Gefälligkeit zur
> Obrigkeit immer wieder Prügel vor die Füße geworfen werden. Das wäre
> eben meine Zukunfts-Perspektive. Aber mir scheint es, als wären wir
> von dieser Zukunft noch sehr weit entfernt.
Beim Selbstorganisieren stimme ich vollständig zu, nur wird es nicht reichen, auch wenn uns niemand Prügel schmeißt. Ich denke, wir brauchen beides, eine starke Organisation von unten und eine starke gesamtösterreichische Bewegung, die auf den Bund überhaupt Druck ausüben kann. Die Perspektive hat sich allerdings durch die Austritte zahlreicher sehr kritischer und aktionsbereiter KollegInnen nicht verbessert und die Zeit bis zu möglichen Änderungen wahrscheinlich noch verlängert.
Mit gewerkschaftlichen Grüßen, illusionslos und trotzdem bereit für weitere Schritte rk
Richard Koller
Dianagasse 1/3
A-1030 Wien
Tel: +431-7109972
Mobil: 0664-4105491
Email: richard@rkoller.info
> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: owner-lehrerforum@ccc.at [mailto:owner-lehrerforum@ccc.at] Im
Auftrag
> von Günter Wittek
> Gesendet: Sonntag, 03. März 2002 21:06
> An: Lehrerforum
> Betreff: LF: Re: AW: Konferenz in Wattens
>
>
>
> Lieber Koll. Koller
>
>
>
> mkG
> Günter Wittek
>
>
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