Lieber Kollege Zwickl

Haben Sie vielleicht auch schon einmal gehört, dass sich diese ... als eine Regierung der WENDE bezeichnet.

Was war denn die Wende? Sie haben recht, wenn Sie meinen,
dass Österreich schon bisher auf einem bedenklichen Kurs war, dass auch früher schon für Unnötiges wie Abfangjäger Geld vorhanden war, aber an der Bildung gespart wurde. Die Sparpakete sind sicher meiner Aufmerksamkeit nicht entgangen, sie haben mich betroffen. (mag sein, dass sie Kollegen viel härter getroffen haben, doch seither darf ich nicht mehr Schach unterrichten, weil diese Unverbindliche Übung gestrichen worden ist)

Trotzdem finde ich, dass die Regierung recht hat, wenn sie meint, dass sie eine Wende gebracht hat. Hier wurde eine Politik des Kaputt- Sparens eingeleitet (oder meinetwegen auch weitergeführt), womit Ressourcen für die Zukunft zerstört werden. Wer auch immer die Meinung vertritt, dass für Bildung nur ein "Betrag X" zur Verfügung gestellt werden kann, der aufzuteilen ist, aber wer mehr Bildung haben möchte als ein intellektuelles Existenzminimum, der müsse dafür aus der eigenen Tasche aufkommen, der führt unser Land in eine verhängnisvolle Sackgasse. (Wer war es denn, der die Forderung aufstellte nach Kostenbeteiligung der Eltern für Tagesschulheim und Schulbücher? - Wer hat denn über viele Jahre hinweg die Gratis-Schulbücher als "Wegwerfbücher" abgewertet? - Und wer am Prinzip der Kostenfreiheit rüttelt, darf sich nicht wundern, wenn die Begehrlichkeit der Regierung ausufert )

Ziel dieser Regierung ist es - wie auch die Sache mit dem "Integrationsvertrag" beweist - die Gesellschaft zu polarisieren, immer weiter auseinander zu treiben und auch solidarisches und damit gewerkschaftliches Handeln zu erschweren. Ist Ihnen denn noch nicht aufgefallen, dass die Bedingungen für ein effektives politisches Handeln nach den bisherigen Spielregeln (nach den Gewohnheiten der Sozialpartnerschaft) nicht mehr funktionieren. Und daher bedarf es neuer Antworten auf diese Herausforderungen. Ich kann von mir nicht behaupten, dass ich diese Antworten schon kenne, ich habe skizzenhafte Vorstellungen davon. Aber auf jeden Fall geht es nach meinen Vorstellungen in die völlig andere Richtung, als dies von dieser Regierung vorgegeben wird.

Ich habe bereits vor mehr als 20 Jahren, mithin auch unter anderen politischen Rahmenbedingungen, immer wieder darauf hingewiesen, wie problematisch das Weisungsrecht ist, und gefordert, dass es abgeschafft werden soll.

Zu ihrem Vorwurf der Parteinähe meiner Ausführungen: Ich finde es richtig, wenn wir - alle! - übereinkommen, dass das Geschäft der Parteiwerbung bei den Parteisekretären bleiben soll. Aber eine andere Sache ist es, wie wir uns in das politische Geschehen einbringen, wie wir unsere Interessen durchsetzen, und da gilt es zur Kenntnis zu nehmen, dass es die Parteien sind, die den politischen Willen der Bevölkerung auch in Gesetze (und somit auch in die Bedingungen unserer Arbeit) ummünzen. Falls wir uns, jeder an seinem Platz, in innerparteilicher Demokratie verschweigen, dann würden wir der Bildung keinen guten Dienst leisten. Dann wären wir eine Berufsgruppe, mit der andere machen können, was sie wollen. Politische Partizipation bedeutet den Anspruch erheben auf Mitgestaltung unserer Lebensverhältnisse. Darum geht es mir.

mkG
Günter Wittek

ps.: Ich hab Verständnis dafür, dass Sie mir einiges vorhalten,
aber dass ich ein Vereinfacher sein soll, na bitte, da unterscheiden sich unsere Wahrnehmungen.

Es stimmt doch nicht, dass ich behaupte, dass die Regierung an allem allein schuldig wäre, in unserem Bereich trifft die Handlungsunfähigkeit bzw. die Handlungsunwilligkeit der GÖD zumindest einen ordentlichen Teil von Mitschuld, aber das könnten Sie als "alter" LF-Leser schon wissen.



----- Original Message -----
From: Josef Zwickl
To: Günter Wittek ; Lehrerforum
Sent: Saturday, March 09, 2002 5:24 PM
Subject: LF: Re: Re: Hans Adam hat kein Ängste

Lieber Kollege Wittek!
Finden Sie nicht, dass Sie es sich ziemlich einfach machen, wenn Sie alle Probleme, die wir haben nur auf einen einzigen Nenner bringen: "Schuld ist diese (Ihnen offenbar unsympathische) Regierung". Ich bewundere Ihre Gabe alles miteinander zu vermengen. Selbstverständlich hat bei Ihnen die Unzufriedenheit mit der Schule erst im Februar 2000 begonnen. Nulllohnrunden wurden Ihrer Ansicht nach auch erst ab diesem Datum erfunden! Angeblich gibt es auch irgendwo (in Österreeich?) einen Sozialabbau. der ebenfalls erst seit Februar 2000 begonnen hat. Das klingt alles sehr einfach und plausibel.
(...)

Mit freundlichen Grüßen
Josef Zwickl




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