Lieber Arnold Gritsch
Ich bin vermutlich mit dir einer Meinung, dass diese Abschaffung der Pragmatisierung ein weiterer Akt des Übermutes dieser Regierung ist, der signalisieren soll, dass sie mit uns machen kann, was sie will.
Aber war die Pragmatisierung jemals ein Schutz vor Maulkorberlässen? Gerade dieses besondere Naheverhältnis des Beamten zu seinem Brötchengeber war doch der Grund, warum so mühsame Diskussionen nötig schienen um die Frage zu klären, ob wir denn überhaupt streiken oder eine "andere Meinung kundtun" dürfen als unsere Obrigkeit.
Wenn die Politik nun von uns ablässt und uns in normale Arbeitsverhältnisse entlässt, kann dies mitunter - in unserer Mentalität - auch ein Gewinn sein. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Zivilcourage durch ein Dekret verliehen werden kann. Wenn wir uns die Realität anschauen, dann ist Schule in Wahrheit doch längst zu einem puren Dienstleistungsbetrieb geworden, in dem die Eltern die eigentlichen Auftraggeber sind, die lediglich durch die staatliche Schulaufsicht ein wenig vernebelt worden ist. Ich sehe den Tag nicht mehr so fern, da werden die Schuldirektoren in jedem Dorf vom Bürgermeister bestellt, aus der Gemeindekasse entlohnt, jedermann und jederfrau darf Wünsche herantragen, die Schule wird einfach zum Spielball aller, die sich als "pädagigisch kompetent" fühlen wollen.
Ich finde, dass mit dem Ende der Pragmatisierungen der Staat sich von jeder Verantwortung für das Bildungswesen freispielen möchte, wenn wir es konsequent weiterdenken, so wären nach diesem Modell überhaupt keine Eingriffe mehr nötig, die Schulpflicht stünde zur Disposition, man erwerbe nur irgendwelche Qualifikationen, der Markt wird schon regeln, ob es für derartig qualifizierte Personen Nachfrage gibt oder nicht.
Wenn wir als politisch denkende Menschen an die Sache herangehen, dann stellt sich allerdings die Frage, wem die Zerschlagung des bisherigen Schulsystems dient. Wer Ausbildungsschritte braucht, um als Lohnabhängiger später Einkommen zu erwerben, wird Qualifikationen vorweisen müssen. Wenn die Lohnabhängigen über weniger Ausbildung verfügen oder für diese selbst zur Kasse gebeten werden, so kann das nur zu einer Senkung des Lohnniveaus führen.
Hingegen werden diejenigen Nutzen aus dem System ziehen, die Tätigkeiten vollbringen wollen, für die es formal Zugangsberechtigungen geben wird, die aber an die Teilnahme von Lehrgängen gebunden sind. Durch die Anhebung der Gebühren lässt sich der Zugang steuern, folglich werden nach ganz einfacher Rechnung in absehbarer Zeit "Qualifikationen" käuflich erwerbbar sein. -
Und das soll ein Fortschritt sein?
mit bangen Erwartungen
Günter Wittek
----- Original Message -----
From: Arnold Gritsch
To: Timo Davogg ; Lehrerforum
Sent: Tuesday, March 12, 2002 6:01 PM
Subject: Re: LF: ORF: Ende der Pragmatisierung für Lehrer
Pühringer: " ... in der Demokratie nicht mehr angebracht!" Demokratie? Soll wohl heißen Parteiendemagogie! Und in einer solchen sollten unsere jüngeren KollegInnen sehr wohl geschützt sein vor Maulkorberlässen und vermehrten Versetzungen bei Obrigkeitsbeleidigungen! Wir Alten wussten diese Sicherheit zu schätzen und ließ uns 'zuvilcouragiert' auftreten!
Meint Arnold Gritsch
Mitglied UBG
At 16:53 12.03.02 +0100, Timo Davogg wrote:
ORF Oberösterreich 13 03 02
http://ooe.orf.at/oesterreich.orf?read=detail&channel=4&id=194889
Ende der Pragmatisierung für Lehrer
Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer will den besonderen
Kündigungs- und Versetzungsschutz nur mehr in jenen Bereichen anwenden, wo es ein "echtes Schutzbedürfnis" gibt.
In der ÖVP mehren sich die Stimmen bezüglich einer stärkeren Einschränkung der Pragmatisierung im öffentlichen Dienst. Landeshauptmann Josef Pühringer hätte auch nichts dagegen, sie bei den Lehrern abzuschaffen, sofern es andere Anreize wie ein leistungsorientiertes System gebe. Die Pragmatisierung dürfe kein "Statussymbol" sein.
--
Diese Liste wird vom Computer Communications Club (http://www.ccc.at) betrieben. Um sich aus der Liste austragen zu lassen, senden Sie ein e-mail an majordomo@ccc.at mit dem Befehl "unsubscribe lehrerforum" im Nachrichtentext.