STANDARD 14 03 02
SPÖ: Schüler büffeln zu lange
"Arbeitszeitverkürzung für Schüler" fordert SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl. Sie sieht Bildungspolitik als einen der "Grundbausteine" des Staates und hat deshalb das Thema innerhalb der Parteispitze zu ihrem persönlichen Schwerpunkt gemacht. Im Standard-Interview fordert Kuntzl eine Entrümpelung der Unterrichtsinhalte.
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Martina Salomon
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"Ich denke, dass man den Kindern und Jugendlichen in unserem Schulsystem eine sehr hohe Wochenarbeitszeit zumutet", sagt Kuntzl. Und dabei gehe es nicht nur um Unterrichtsstunden, sondern auch um jene Zeit, die für Lernen und Hausübungen verwendet werden müsse. "Im Extremfall haben Schüler einen Siebentagewoche, wenn sie samstags Unterricht haben und sich dann am Sonntag noch auf Schularbeiten und Prüfungen vorbereiten müssen." Finnland, der Sieger im letzten OECD-Schulenvergleich (Lesestudie Pisa), komme hingegen mit wesentlich weniger Stunden aus. Kuntzl wünscht sich mehr fünftägige Ganztagsschulen, in denen es zu einer Verschränkung von Unterrichts-, Lern- und Freizeit kommt. Der Lehrplan müsse "ausgerümpelt" werden. Es wäre eine "Überprüfung wert", ob man Unterrichtsstunden opfern könnte. Auch die Möglichkeit von "Flächenfächern", in denen Gegenstände zu einem Fach zusammengelegt werden, sollte man sich "ernsthaft anschauen".
Es sei eben "sehr viel Starrheit" im Schulsystem. So wäre es ebenso denkbar, an manchen Schulstandorten Klassen zu führen, die erst um neun Uhr Schulbeginn haben. "Raum für Flexibilität" ist der Wunsch Kuntzls.
In der derzeit laufenden AHS-Oberstufenreform wünscht sich die SPÖ-Politikerin ein Kurssystem für 17- und 18-Jährige. Hätten Schüler ab der siebten Klasse Gymnasium mehr "Gestaltungsmöglichkeit", könnten sie sich auf ihre Begabungen und nicht - wie derzeit - vor allem auf ihre Schwächen konzentrieren. Man müsse den Schülern aber natürlich sagen, welche Auswirkungen es auf ihren späteren Bildungs- und Berufsweg haben könnte, wenn sie etwa Mathematik abwählen.
Auch wenn die AHS-Lehrergewerkschaft hier bereits abgewunken hat, glaubt die SP-Frontfrau, dass die Pädagogen "für ein modernes System zu gewinnen wären". Nicht so optimistisch ist sie bei Bildungsministerin Elisabeth Gehrer. Von ihr erwartet sie nur ein "dürftiges Reförmchen".
In einer "mutigen Oberstufenreform" müsse es mehr Möglichkeiten für die Schüler geben, sich Kompetenzen wie Kreativität, soziale Kompetenz, Präsentationstechniken und Teamfähigkeit anzueignen. Das werde immer entscheidender in der Frage, "ob jemand einen Job bekommt oder nicht".
Kuntzl wünscht sich längerfristig, dass ein Teil des Unterrichts in einer lebenden Fremdsprache abgehalten werde. Bildung beginne außerdem nicht erst mit der ersten Volksschulklasse, sondern schon vorher, im Kindergarten, wo Kinder mehr als bisher "spielerisch" sprachlich gefördert werden könnten.
Auch die Gesamtschule steht nach wie vor auf der Wunschliste der SPÖ. Es gebe keine wissenschaftlichen Tests, die das Entwicklungspotenzial eines zehnjährigen Kindes seriös abschätzen könnten, spielt Kuntzl auf die von Gehrer favorisierten "Prognosetests" an.
Länder mit Gesamtschulsystem hätten außerdem bei der Pisa-Studie auffallend gut abgeschnitten. Kuntzl glaubt, dass Österreich wohl in ein paar Jahren schlechter dastehen werde, "weil das Schulsystem gerade kaputtgespart wird". Die Ministerin schmücke sich deshalb "mit fremden Federn". Österreichweit gebe es bereits 100.000 Schüler, die in Klassen mit 30 und mehr Kindern sitzen.
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