Süddeutsche Zeitung 26 03 02

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Bibel oder Biologie, britische Variante

Der aus einigen US-Staaten bekannte Streit um die Evolutionsgeschichte im Schulunterricht hat nun ein Pendant in Europa

Von Gregor Schmitz

Cambridge – Dass Menschen und Affen gemeinsame Vorfahren haben und Charles Darwin eine Evolutionstheorie erdachte, wird auch im Biologieunterricht des Emmanuel College im britischen Gateshead gelegentlich erwähnt. Allerdings erklären die Lehrer an dieser weiterführenden Schule danach sofort, dass das halt eine Theorie sei und in Wirklichkeit natürlich Gott die Welt in sechs Tagen geschaffen habe. Und der Schuldirektor, wie die meisten Lehrer am College ein streng der Bibel verpflichteter Christ, fügt hinzu, biologische Beweise oder Bibelgeschichte, das beides sei doch reine „Glaubenssache”.

Harmloser religiöser Eifer oder gefährliche Indoktrination? In Großbritannien werden die Lehrmethoden des Colleges, das von einem ultra- religiösen Christen finanziert wird, aber Staatszuschüsse erhält, heftig diskutiert. Im Guardian sprach ein besorgter Oxford- Professor von einer Schande für den Lehrerberuf, und alle großen britischen Zeitungen brachten Berichte über die Schule und eine Konferenz, die dort kürzlich stattfand mit Vorträgen zu Themen wie „Evolution – die gottlose Religion des Todes“.

Hinter dem Medienecho steckt wohl auch die Sorge, dass der in Großbritannien bislang einmalige Fall eine Entwicklung auslöst wie in den USA. Dort tobt der Streit zwischen strenggläubigen Christen und Evolutionsforschern schon lange. In Kansas gab es vor drei Jahren Versuche, Darwins Erkenntnisse in Schulen zu verbieten, in Alabama enthalten Lehrbücher Hinweise, dass die Evolutionstheorie eine umstrittene Hypothese mit wenigen Anhängern sei und auf keinen Fall vor 10000 Jahren Leben auf der Erde existiert habe – was alle seriösen Wissenschaftler bekanntlich völlig anders sehen.

Für die britische Diskussion gibt es auch den Grund, dass die Blair- Regierung angetan ist von Schulen in Trägerschaft von Glaubensgemeinschaften. Das Emmanuel College, dessen Schüler so glänzende Resultate erzielen, dass es drei Bewerber für jeden Platz gibt, diente dabei als Aushängeschild. Nun stellt sich die Frage, wie weit Glaubensgemeinschaften Einfluss auf den Lehrplan nehmen dürfen. Eine Sprecherin des Bildungsministeriums hat nur diplomatisch verlauten lassen, laut nationalem Lehrplan müssten sowohl Evolutionstheorie als auch Schöpfungsgeschichte unterrichtet werden.

Prominente Wissenschaftler und auch Geistliche wollen nun mit offenen Briefen und Ansprachen gegen den Biologieunterricht am Emmanuel College protestieren – auch vor dem Hintergrund, dass dessen ultra-religiöser Finanzier sechs weitere Schulen ähnlicher Ausrichtung plant. Die Lehrer am College verkünden ihre Prioritäten weiterhin offensiv. Alle Schüler müssen nicht nur nach wie vor eine Bibel zum Unterricht mitbringen, der Direktor der naturwissenschaftlichen Abteilung hat gar einen Katalog erarbeitet, wie seine Kollegen am besten die Evolutionstheorie attackieren könnten: durch ständige Wiederholung von Bibeltexten, die Erwähnung großer Wissenschaftler, die an Gott glaubten, und – in Chemie – durch den Nachweis, dass mit Gesteinsproben gar nicht festgestellt werden könne, wie alt die Erde ist. Der Schuldirektor kann zudem mit einer pädagogischen Begründung für seinen Lehransatz dienen: Es schade den Kindern nur, wenn sie hörten, dass sie nichts weiter als entwickelte Mutationen affenähnlicher Wesen zu sein – „so etwas ist schlecht fürs Selbstbewusstsein.“



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