S.g. Kollege Friebel!
Wie u.a. Timo Davogg's Beitrag "Oberstufenreform (1)" vom Montag zeigt, ist die Frage der Typen-Kontinuität in der AHS momentan hoch aktuell. Aus diesem Grund noch ein paar
Anmerkungen meinerseits zu Ihrem Kommentar. - Erich Wallner
Peter Friebel schrieb:
>
>
> Auch ein sprachlicher Schwerpunkt erscheint mir in einem ORG möglich,
> wenn man ihn neben einem bestehenden Schwerpunkt unterbringt.
> Allerdings kann ein sprachlicher Schwerpunkt in einem ORG wohl nicht
> so ausgeprägt sein wie in einem Gymnasium, denn im Gymnasium haben
> alle Schüler ab der 3. Klasse entweder Latein oder eine zweite lebende
> Fremdsprache - ein Vorsprung, der wohl für eine reine Oberstufenform
> nicht so leicht aufzuholen sein wird.
E.W.: Genau das ist das Problem des Schwerpunktes in Ihrer Konzeption - daß man ihn "neben einem bestehenden Schwerpunkt unterbringt". Nehmen wir ein einfaches Beispiel - Unterstufe mit IT-Schwerpunkt (in den 3. und 4. Klassen - in den 1. und 2. Klassen gibt es bekanntlich noch keine verschiedenen AHS-Typen). Prima vista "gehört" IT zu keiner der drei aktuellen AHS-Unterstufentypen, müßte also überall einzurichten sein. Ich verstehen nun nicht, warum ein Computer-Freak unbedingt Latein lernen muß (Gymnasium) - oder Darstellende Geometrie (RG) oder Werkerziehung und mehr Chemie haben muß (Wiku). Wir sprechen hier von einem Volumen von 8 oder 9 Stunden in den 3. und 4. Klassen - das haben oder nicht haben macht den Unterschied aus zwischen einem echten "SCHWERpunkt" oder einem Schlagobers-Kringel auf der Torte als Aufputz.
Ein RG-Schüler braucht nicht Latein zu lernen - man erkennt Darstellender Geometrie denselben Bildungswert zu, ebenso der Werkerziehung im Wiku. Ist Werkerziehung wirklich um soviel mehr wert als IT, daß sie unverzichtbar ist, während man sich die IT-Stunden mühsam zusammenklauben muß?
Ich behaupte, daß Ihr Beharren auf die Typen in all jenen Fällen einen echten Schwerpunkt verunmöglicht, wo dieser nicht zufällig in Richtung Sprachen bzw. Mathematik/Geometrie bzw. Werkerziehung liegt.
> Wenn ich für die Erhaltung der Typen eintrete, meine ich damit, dass
> Schwerpunkte, die sich bewährt haben, auch weiterhin einen Platz im
> österreichischen Schulwesen haben sollen.
E.W.: Zum Thema "Bewährung" zwei Argumente:
1. Warum dürfen sich neue Schwerpunkte à la IT nicht wirklich bewähren, weil man ihnen eine ausreichende Stunden-Dotation versagt (8 oder 9 Stunden Manövriermasse fließen in der Unterstufe zwangsweise in die "alten" Schwerpunkte)?
2. (Hier nehme ich auch die letzten Sätze ihres Beitrags vorweg): Meine Schule war ursprünglich ein reines Wiku. Als wir parallel ein Gymnasium eröffneten, mutierte das Wiku sofort zu einem "2. Klassenzug" - was noch durch die Lehrplan"reform" vor etwa 10 Jahren verstärkt wurde, als man das typenbildende Kochen in den 7. und 8. Klassen abschaffte, weil es nicht mehr ins feministische Weltbild paßte, und stattdessen eine Art Bauchladen einführte, wo für jeden etwas zu haben war (ein bisserl mehr Geografie, Biologie und Psychologie - mit Kindergartenpraktika o.ä, und ausgerechnet in der 5. Klasse - wo die SchülerInnen noch den geringsten Bezug dazu haben - einen neuen Gegenstand "Haushaltsökonomie", der nicht einmal in der 6. Klasse weitergeführt wird).
Bezeichnenderweise gibt es im Wiku dann auch die meisten Wahlpflichtfachstunden, nämlich 12 - schön für die SchülerInnen, aber alles andere als typenbildend.
Fazit: Das Wiku, so wie es sich jetzt darstellt, "bewährt" sich bestenfalls dann, wenn es keine Konkurrenz seitens des Gymnasiums zu fürchten hat. SchülerInnen wird es allerdings immer haben - die Lateinflüchtlinge halt. (Und nicht etwa jene, die manuell besonders begabt sind - Werkerziehung gehörte bei uns zu den unbeliebtesten Gegenständen.)
Bei den Englischen Fräulein in St. Pölten haben wir übrigens das Wiku aufgegeben und führen seit einigen Jahren nur noch ein Gymnasium.
> In diesem Sinn soll natürlich auch ein Gymnasium, Realgymnasium oder
> Wiku etwa den BE- und/oder ME-Unterricht verstärken dürfen, wenn sie
> das wollen. Allerdings soll dabei das Gymnasium trotzdem ab der 3.
> Klasse Latein oder eine zweite lebende Fremdsprache anbieten (wobei
> mir persönlich Latein lieber wäre, aber wenn man sich an der Schule
> auf etwas anderes einigt, ist das auch zur Kenntnis zu nehmen), und
> ein Realgymnasium darf wohl den mathematisch-naturwissenschaftlichen
> Bereich nicht so stark kürzen, dass es kein Realgymnasium mehr ist.
E.W.: Also ohne Latein oder Geometrisches Zeichnen "ka' Musi". Musik alleine ist nicht bildungswichtig genug als Schwerpunkt sui generis.
> Zum Wiku
> möchte ich nicht viel sagen, weil ich davon zu wenig verstehe (ein
> Gymnasium habe ich als Schüler kennen gelernt, ein Realgymnasium als
> Lehrer - über die Ziele dieser beiden Schultypen glaube ich Bescheid
> zu
> wissen; zum Wiku mögen sich Kolleginnen und Kollegen äußern, die diesen
> Typ aus eigener Erfahrung kennen).
E.W.: Kommentar siehe oben.
>
> Mit freundlichen Grüßen
> Peter Friebel
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