Sehr geehrter Herr Kollege Wittek!
>
> Herr Zangerl - Alfons, der Geläuterte?
> (wer auch immer sich dahinter verbirgt)
>
> Sie irren sich wieder einmal, wenn Sie meinen, dass das Christentum,
> sobald es sich mit der Staatsmacht eingelassen hat, für die
> Meinungsfreiheit eingetreten wäre.
Das habe ich nie behauptet. Im Gegenteil, so wie jede Institution war und ist natürlich auch die Kirche in Gefahr (als menschliches Gebilde, wo es eben
menschelt) zu korrumpieren und sich mit der Macht zu verheiraten.
Das Gegenteil
> ist der Fall. Konziliare und demokratische Bewegungen waren den
> Kirchenoberen immer verdächtig, es ist nicht zu übersehen, wie Leute,
> die gegen die Staats- oder Kirchenräson, die anerkannte Lehre
> aufgetreten sind, zu Ketzern gestempelt und aus der Gemeinschaft
> ausgeschlossen (exkommuniziert) und um ihr Leben gebracht worden sind.
Da sind Dinge, die natürlich schlimm waren, die man teilweise aus dem Zeitgeist irgendwie verstehen könnte, die man aber sicher nicht gutheißen kann. Aber gerade der gegenwärtige Papst hat hier mit seiner Entschuldigung sehr viel ins Rollen gebracht.
Und da gibt es eine
> nicht zu übersehende Entwicklungslinie von den Anfängen
> bis in unsere Gegenwart, wo der "christlichen" Fraktion
> in der Gewerkschaft so etwas wie eigenständige,
> unabhängige Meinung, Meinungsfreiheit ein Fremdwort ist,
> aber Unterordnung unter die Fraktions- oder Staatsräson als
> vorbildliche "christliche" Tugend gilt.
Das ist natürlich Stumpfsinn und ist eindeutig getragen von Ihrem Bemühen, wieder einmal Ihr Vorurteilaufzuwärmen, nämlich der FCG sei automatisch ein Helfeshelfer der Regierung und buckele nur. Das Gegenteil ist der Fall, denken Sie nur an den eintägigen Streik der AHS-Lehrer. Das hat mit Buckeln gegenüber der Regierung nichts zu tun. Ich darf dann an die verschiedenen päpstlichen Enzykliken zu Sozialfragen und an die gesamte kath. Soziallehre erinnern, die zwar mit Verspätung eingesetzt hat, aber doch jetzt recht fortschrittlich ist und die wesentliche Grundlage des FCG ist. Und Gott sei's gedankt, sind wir von der ÖVP weiter entfernt, als es viele in diesem Forum gerne glauben. Aber, vielen ÖVPlern paßt das auch nicht...
Oder ist ihnen der Spruch
> nicht bekannt, der lautet: "Rom hat gesprochen, die Sache ist
> entschieden".
Bitte, was hat Kirchenpolitik mit der FCG zu tun. Wenn aus Ihrer Trick- und Zitatenbox nicht mehr herauskommt, dann sind die Argumente nicht sehr schlagend.
Ist Ihnen etwas bekannt von einem Unfehlbar-
> keitsdogma, und welcher Konfession ordnen Sie dieses zu?
Gerade das Unfehlbarkeitsdogma ist komplizierter als Sie denken. Da kann man damit auch nicht so einfaches Kleingeld verdienen. Das mußte man selbst bei den Papstgetreuen einsehen, als viele vor Erlaß des Dogmas abgereist sind, weil sie gegen die Opportunität des Zeitpunktes waren (u.a. der Wiener Kardinal Rauscher).
> Das ist heute noch Realität, nicht irgendein weit zurückliegender
> Abschnitt der Geschichte. - Anderseits habe ich dagegen einen Einwand
> erhoben, aus der Religionskritik abzuleiten, dass spirituelle
> Empfindungen der Menschen nicht real wären.
na das ist ja schon einmal eine gemeinsam Basis, Es ist doch schön, wenn man bei Adversarii Gemeinsamkeiten entdeckt!!
> Ich sehe es so, dass die selbsternannten Hüter des Glaubens in
> Wahrheit alles daran setzen, um die Spiritualität der Menschen zu
> untergraben, ja es ist nicht verwunderlich, dass selbst Martin Luther
> schon den Papst als "den wahren Antichristen" bezeichnet hat.
Naja, in dieser Absolutheit ein plattes Vorurteil. Ein bißchen Differenzieren wäre ganz schön, Herr Kollege. Und ich sage ja nicht, daß es nicht im einen oder Fall Intoleranz (nicht nur von Ihnen, auch von der Kirche) da war bzw. da ist.
- Es ist im spirituellen Bereich wie im politischen Bereich:
> die "christlichen" Parteigänger sagen, dass wir nicht selber handeln
> dürfen, dass wir einen Vermittler brauchen, dass wir das alleine und
> ohne Hilfestellung nicht können.
Das hat jetzt aber weder mit Kirchenpolitik noch mit Gewerkschaftspolitik etwas zu tun. Wenn schon von Jesus die Rede ist, dann ist er natürlich unser Mittler. Und das ist zunächst einmal von Institutionellem weit weg.
- Aus dieser
> Unmündigkeit gilt es herauszutreten, wenn wir unser ganzes (auch
> spirituelles) Wesen entfalten, dann haben wir, das haben Sie richtig
> verstanden, noch mehr (Christus-) Energie, nämlich die Fähigkeit, die
> Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
Naja, da würde ich bei solchen Überlegungen als gläubiger Christ auch noch ein wenig an die Offenbarung denken und Religion vielleicht nicht nur im Feuerbachschen Sinne sehen, nämlich als geistiges "im-eigenen-Saft-Schmoren", sondern die Möglichkeit, für die Übernatürlichkeit offen zu sein, einkalkulieren.
Im übrigen kritisiere ich das als Hauptargument, auch an Kautsky, daß nämlich die Möglichkeit der Offenbarung ausgeschlossen wird und Religion nur als politisches Phänomen gesehen wird. Für meine Begriffe einfach eindimensional. Ansonsten ist manches ganz logisch und richtig, manches ungelenk und etwas platt und von der heutigen theolgischen Forschung in Frage gestellt, oder in der Ideologiekritik zu billig oder durchaus engagiert.
Mit freundlichen Grüßen, Alfons Zangerl
>
> Weil ich annehme, dass Sie Kautskys Schrift über das Christentum nicht
> kennen, mag ich es Ihnen erleichtern dort nachzulesen ... Die
> christliche Lehre, die aus solch widersprüchlichen Mosaiksteinen
> zusammengesetzt ist, hat es natürlich schwer, Meinungsfreiheit oder
> Glaubensfreiheit zuzulassen. Sie hatte es auch nicht leicht, aus einer
> Bewegung zur "Organisierung des Kommunismus" sich zu einer
> Gemeinschaft zur Organisierung der Ausbeutung der unterdrückten
> Klassen umzuwandeln. Die Grundzüge dieser Kritik sind nach wie vor
> sehr richtig.
>
> mfG
> Günter Wittek
>
> ______________________
>
>
> Karl Kautsky, Ursprung des Christentums (1900)
>
> So völlig stimmte die ursprüngliche christliche Messiasidee mit dem
> Judentum ihrer Zeit überein, daß die Evangelien noch den größten Wert
> darauf legen, Jesu als Abkömmling Davids erscheinen zu lassen. Denn
> aus königlichem Stamme sollte nach jüdischer Auffassung der Messias
> sein. Immer wieder ist von ihm als "Sohn Davids" die Rede oder "Sohn
> Gottes", was im Jüdischen auf dasselbe hinauskommt. So läßt das zweite
> Buch Samuels (7, 14) Gott zu David sagen: "Ich will (deiner
> Nachkommen) Vater und sie sollen meine Söhne sein."
>
> Und im zweiten Psalm sagt der König:
> "Jahve sprach zu mir: Du bist mein Sohn, ich habe dich
> heute gezeugt."
>
> Daher auch das Bedürfnis, Jesu Vater, Joseph, durch einen langen
> Stammbaum als Abkömmling Davids zu erweisen, und Jesus, den Nazarener,
> in Bethlehem, der Stadt Davids, geboren werden zu lassen. Um das
> plausibel zu machen, wurden die sonderbarsten Behauptungen
> aufgebracht. Schon eingangs haben wir auf die Erzählung des Lukas (2,
> 1 ff.) hingewiesen:
>
> ( ... )
>
> Es gibt keine Religion ohne Widersprüche. Keine ist ausschließlich in
> einem Kopf durch einen bloß logischen Prozeß entsprungen, jede ist das
> Produkt mannigfacher gesellschaftlicher Einwirkungen, die sich oft
> durch Jahrhunderte hindurchziehen und die verschiedensten historischen
> Situationen widerspiegeln. Aber kaum eine andere Religion ist so reich
> an Widersprüchen und Ungereimtheiten, wie die christliche, weil kaum
> eine aus so schroffen Gegensätzen erwuchs wie sie: Das Christentum
> entwickelte sich vom Judentum zum Römertum, vom Proletariertum zur
> Weltherrschaft, von der Organisierung des Kommunismus zur
> Organisierung der Ausbeutung aller Klassen.
>
> Indes die Vereinigung des Vaters und des Sohnes in einer einzigen
> Person war nicht die einzige Schwierigkeit, die aus dem Messiasbild
> für das christliche Denken erwuchs, sobald es unter den Einfluß des
> außerjüdischen Milieus geriet.
>
> Was sollte man nun mit der Vaterschaft Josephs beginnen? Maria durfte
> doch nicht mehr Jesus von ihrem Gatten empfangen haben. Und da Gott
> nicht als Mensch, sondern als Geist sie begattet hatte, mußte sie
> Jungfrau geblieben sein. Damit ging die Abstammung Jesu von David
> flöten. Jedoch so groß ist die Kraft der Tradition in der Religion,
> daß trotz alledem der so schön konstruierte Stammbaum Josephs und die
> Bezeichnung Jesu als Sohn Davids getreu immer wieder überliefert
> wurde. Dem armen Joseph mußte aber jetzt die undankbare Rolle
> auferlegt werden, daß er mit der Jungfrau zusammenlebte, ohne ihre
> Jungfräulichkeit zu nahe zu treten, aber auch ohne an ihrer
> Schwangerschaft den geringsten Anstoß zu nehmen.
>
>
> ____________________
>
>
> alfons.zangerl@gmx.at meinte u.a.
> Subject: LF: Meinungsfreiheit - Haderer
>
> Liebe Kolleginnen und Kollegen!
> Die Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut. Es ist sicher alles zu
> tun, um diese zu erhalten. Tendenzen in Richtung Abschaffung derselben
> (ich bin zuwenig informiert, ob es solche gibt - auch in bezug auf
> Herrn Haderers Buch) muß man entgegentreten. Wo ich die Geschichte von
> Herrn Fischbacher ein wenig unappetitlich finde, ist die Art und
> Weise, mit der man die Meinungsfreiheit mit Polemik gegen das
> Christentum verquickt. Wir müssen, finde ich, auch diesem Muster
> entgegentreten. (...) ein schönes Osterfest. MfG Alfons Zangerl
>
>
>
>
>
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