Liebe Kolleginnen und Kollegen, einmal etwas eigentlich Ernsthaftes gleichzeitig aber auch Erheiterndes weitergeleitet aus der universitären Frauenbewegung. Liebe Grüße Heinrich Kreissl

Betreff: Fwd: der standard berichtet


Das Sex-Leben der Alma Mater

Oder: Was gibt's denn da zu meckern? - Female Science-Fiction zum Aufbruch in die "schöne alte Ordinarienwelt": Seit 600 Jahren werden Männer an den Hochschulen von Frauenseilschaften unterdrückt. Aber es geht aufwärts - trotz oder gerade wegen der Reforminitiativen aus dem Bildungsministerium. Eva Flicker ist Assistentin am Institut für Soziologie, Birgit Sauer ao. Univ.-Prof. am Institut für Politikwissenschaft der Uni Wien; beide sind Mitglieder des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen der Universität Wien

Die Klagen über das neue Universitätsgesetz sind recht eigentlich gar nicht zu verstehen. Die "Weltklasse-uni.at" muss endlich Anschluss an die Weltstandards finden, und dazu gehört es, versteinerte Strukturen aufzubrechen. Ist es bekannt, wie die in Österreich aussehen? Stellen Sie sich Folgendes vor: Die Universität Wien ist über 600 Jahre alt. Die "Alma mater" ist seither, wie der Name bereits sagt, eine Frauendomäne. Vor 100 Jahren wurden von den skeptischen Müttern der Wiener Wissenschaften die ersten Männer zum Studium zugelassen. Und gegen alle Vorbehalte der Professorinnenschaft hat es das schwache Männergeschlecht geschafft, in der Universität Fuß zu fassen: Heute machen Männer mehr als die Hälfte der Studienanfänger aus. Zurecht kann man sagen, dass mittlerweile sehr viele Männer auf den Universitäten arbeiten. Ihre nette, freundliche und verbindliche Art ist in den Sekretariaten unverzichtbar. Und: Männer haben auch so eine schöne Handschrift! Auch hinter den hohen Männerquoten beim Reinigungspersonal steckt jahrhundertelang erworbene männliche Kompetenz. Selbst als Hochschullehrer sind die Männer allmählich erfolgreich, auch wenn die Wissenschaft lieber in Frauenhand bleiben sollte: Zwei Drittel der Assistenten sind noch immer Frauen. Unter den Habilitierten stellen sie vier Fünftel. Und das ist richtig so. Schließlich geht es um wissenschaftliche Qualifikation, und diese Standards hat in langer universitärer Tradition die weibliche wissenschaftliche Community festgelegt. Für Männer ist es schwierig, diese wissenschaftlichen Qualitätskriterien zu erfüllen, aber ein Anfang ist gemacht und das Ganze braucht eben noch Zeit.

Das Bewerbungsverfahren ist ein offenes, faires System. Das zeigen deutlich die 7% Männer, die eine Professur haben. Außerdem achtet der "Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen" darauf, dass Männer in den Berufungsverfahren durch Kommissionen und Personalausschüssen nicht diskriminiert werden. Freilich: Alles kann natürlich nicht in den Ausschüssen besprochen werden.

Nun soll sich vieles ändern! Endlich ist wieder einmal ein Mann Wissenschaftsminister Er hat es zu einem seiner Ziele gemacht, den Männeranteil an den Universitäten deutlich zu erhöhen. Denn Weltklasse-Universitäten müssen das Männerpotenzial ausschöpfen. Doch betrachten wir uns das neue Gesetz! Hat da die weibliche Vorherrschaft in der Ministerialverwaltung dem Minister ein Kuckucksei gelegt? Kommissionen und Ausschüsse, in denen Männer mitreden könnten, werden mit dem neuen Universitätsgesetz wieder abgeschafft. Frau muss dort immer so aufpassen, was sie sagt - lästig! Personalentscheidungen jeglicher Art können nun endlich wieder, wie in guten alten Zeiten, intransparent und in den bewährten Frauenseilschaften gefällt werden - notfalls von einer Professorin alleine. Denn sicherheitshalber regelt das neue Uni-Gesetz, dass nur der Professorinnenstand leitende Stellen einnehmen kann. Da werden die paar Prozent Professoren-Männer gar nicht ins Gewicht fallen.

Die Hauptverantwortung wird bei den Frauen Professorinnen bleiben, ihre Macht und ihr Einfluss sind gesichert. Nur das garantiert Weltklasse. Auch eine geschlechterparitäre Besetzung der wenigen Gremien, die es im Gesetzesentwurf noch geben soll, ist nicht vorgesehen. Wo kämen wir da auch hin!? Das hat's ja noch nie gegeben! Da könnt ja jeder kommen. Ja, in der "Schiedskommission" für Geschlechterfragen ist Halbe-Halbe für Frauen und Männer vorgesehen. Aber seien wir ehrlich: Die kann sowieso nichts machen, solange die Frauenmehrheit im Universitätsrat gesichert bleibt!

Und die Männer? Was ist mit deren Fortkommen und Karrierechancen? Ist das nicht strukturelle Diskriminierung des männlichen Geschlechts? Mit der Verpflichtung zu "Gender Mainstreaming", wonach Gesetze mit Folgen der Diskriminierung von Männern zu unterlassen sind, lässt sich das sicher nicht vereinbaren. Aber es wird schon keiner was sagen. Ist doch so eine gute Reform! Da können wir ganz beruhigt sein. Die Aufregung ist ganz umsonst - in ihren wesentlichen Grundstrukturen werden die Universitäten so bleiben, wie sie waren. Zumindest was das Geschlechterverhältnis angeht.


Eva Flicker ist Assistentin am Institut für Soziologie, Birgit Sauer ao. Univ.-Prof. am Institut für Politikwissenschaft der Uni Wien; beide sind Mitglieder des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen der Universität Wien

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Joseph Mussil
Sachbearbeiter im Referat für Aus- und Fortbildung der ÖH-Uni-Wien Spitalgasse 2, UniCampus, 1090 Wien
tel.: +43 1 4277 19505
joseph.mussil@oeh.univie.ac.at



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