Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Beitrag, den Koll. Adam an das Forum geschickt hat, gefällt mir sehr. Einerseits zeigt er, was jetzt schon/noch möglich ist, andereseits illustriert er die Möglichkeiten, die ein Kurssystem mit Grundkurs und Erweiterungsstufen ermöglicht. Natürlich freut es mich besonders, dass Koll. Adam diesen Artikel gepostet hat - ich gehe als belesener Lehrerforum-Diskutant davon aus, dass er, wie immer bei seinen Postings, mit der Aussage des Beitrags konform geht.

Dennoch möchte ich meine Befürchtung dahingehend formulieren, dass die Weichen längst gestellt und mit Zustimmung von ÖPU und FCG der Zug längst in eine andere Richtung fährt: keine Rede von Kurs-Systemen, von Modulen, die man als SchülerIn nach qualitativen Gesichtspunkten wählen kann; vielmehr eine Quantifizierung von Stunden, die die jetzige WPG-Stundenzahl am Realgymnasium etwa von 12 auf 16, andere sagen auf 18, wieder andere meinen: auf 24 Wahleinheiten in der Oberstufe aufbessert. Von Schwerpunktbildung durch Stundenreduktion etwa auch bei Schularbeits- und bisher typenbildenden Gegenständen auf ein allgemein bildendes Minimum bei gleichzeitiger Intensivierung des Engagements dort, wo Interesse und Begabung zu sinnvoller und gediegener Arbeit führen, habe ich seitens BM Gehrer oder ÖPU schon lange nichts gehört. Vielleicht beginnt aber hier - siehe Posting des Koll. Adam - ein Umdenken.

Noch was: die hier angeführten Beispiele von schulspezifischen Schwerpunktsetzungen passierten bisher auf der Basis von Schulversuchen. Die soll es in Zukunft nicht mehr geben. Heißt das nun, dass etwa die im unten stehenden Artikel erwähnten Initiativen gestoppt und über den möglichen Leisten einer, nehmen wir an, 24 Einheiten umfassenden WPG-Verordnung mit all ihrem Beiwerk geschlagen werden werden? Dann kann man, denke ich, die geschilderten Modelle vergessen.

Zum Schluss: als Gewerkschafter sehe ich das Problem der Mehrarbeit sehr gut. Immer wieder müssen daher auch Stundenkontingente für kollekiale Vor- und Nachbereitung eingefordert werden. Trotzdem weiß ich aus jetzt schon langjähriger Erfahrung, auf welch positive Art sich auch vorbereitungsintensive Stunden mit interessierten SchülerInnen (nicht nur
finanziell) bezahlt machen, und wie anstrengend unter Umständen wenig Vor- und Nachbereitung erfordernder Unterricht mit SchülerInnen sein kann, deren oberstes Interesse es ist zu zeigen, wie wenig wichtig und ansprechend ihnen das im Schweiße der Unterrichtsleistung angebotene Produkt ist. Somit wäre ein Kurssystem sicher auch ein Schritt hin zu einem sinnvoller erlebten Unterrichtsalltag, und das ist ja, jenseits des finanziellen Denkens, auch nicht ohne.

Grüße sendet

Timo Davogg


> WAS LEHRER VON DER REFORM ERWARTEN
>
> Elisabeth Fleischmann, Direktorin des zweisprachigen Grazer Gymnasiums
> GIBS: "Bei uns läuft bereits seit drei Jahren ein Schulversuch zur
> Reform der Oberstufe. Wir haben ab der 6. Klasse ein Kurssystem mit
> Reduzierung der Kernstunden." Entwickelt wurde das Modell im GIBS mit
> Eltern und Schülern. Beispiel aus dem frei wählbaren Kursangebot:
> "Moderne österreichische Literatur". Erste Bilanz von Fleischmann:
> "Die
Möglichkeit,
> Kurse wählen zu können, wird vor allem von den Schülern sehr positiv
> aufgenommen. Für die Lehrer ist es auch lustiger, weil Schüler durch
> die Wahl wirklich interessiert sind. Der einzige negative Aspekt ist
> der Mehraufwand für Schüler und Lehrer. Das steht aber in keiner
> Relation zu den positiven Aspekten." Reinhard Ganda, Direktor des
> Gymnasiums Kirchengasse in Graz: "Tatsache ist, dass etwas geschehen
> muss, um die Oberstufe attraktiver zu machen." Für Ganda gibt es drei
> Eckpunkte, die nötig wären: "Ein schlankes Fundament, das die
> Allgemeinbildung sicherstellt, ein Schwerpunkt, der von den Schülern
> kollektiv gewählt werden kann, und eine individuelle
> Schwerpunktsetzung vor allem im kreativen Bereich.
> Mathematikspezialisten sollen sich mit dem Integral beschäftigen und
> die anderen das Fundament erhalten. Wie man das alles unter einen Hut
> bringt, wage ich aber nicht zu sagen." Vorstellbar ist für Ganda auch
> der Vorschlag der FPÖ, die schriftlichen Maturaarbeiten durch eine
> schriftliche Diplomarbeit zu ersetzen.
>



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