Sehr geehrter Kollege Davogg!
Timo Davogg schrieb:
> ... die Möglichkeiten interessens- und begabungsgemäßer
> Schwerpunktsetzungen bewegen sich im Minimalbereich (fürs RG:
> Mathematik entweder 14 oder 15 Stunden, Deutsch entweder 12 oder 11
> Stunden usw...), ...
Da handelt es sich um ein Missverständnis:
Die 15 bzw. 12 Stunden aus obigem Beispiel gelten, wenn die Schule die bisherige Stundentafel beibehält.
Die 14 bzw. 11 Stunden aus obigem Beispiel sind das Minimum, das nicht unterschritten werden darf, falls die Schule den betreffenden Gegenstand kürzen will, weil die Stunden zur Setzung eines Schwerpunkts benötigt werden. Schließlich soll eine Schwerpunktsetzung in einem Bereich ja nicht dazu führen, dass Schüler in anderen Gegenständen so wenig mitbekommen, dass man nicht mehr von Allgemeinbildung sprechen kann - etwa wenn man Deutsch schulautonom gleich ganz streichen könnte. Eine schulautonome Schwerpunktsetzung soll auch nicht dazu führen, dass ein Realgymnasium keinen mathematisch-naturwissenschaftlichen Schwerpunkt mehr hat oder ein Gymnasium keinen sprachlichen Schwerpunkt.
Das Wichtigste geht aber aus den von Koll. Davogg zitierten Zahlen nicht hervor, nämlich wie die Schule ihren autonom gewählten Schwerpunkt gestaltet. Das kann auch nicht in den Stundentafeln des Ministeriums stehen, sonst wäre es ja keine autonome Schwerpunktsetzung.
Es geht bei dem Entwurf eben darum, dass diese autonomen Schwerpunktsetzungen ermöglicht werden. Deshalb gibt es in den Stundentafeln auch keine Obergrenze, sondern nur eine Standard-Stundenzahl und eine Untergrenze. Und neue Gegenstände kann man auch erfinden, wenn sie sinnvoll zum Schwerpunkt der Schule passen (etwa Labor-Unterricht in naturwissenschaftlichen Gegenständen, falls man einen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt bilden will).
> ... über die Matura als Endpunkt einer OBerstufenreform wird
> konsequenter Weise kein Wort verloren. ...
Das heißt nicht, dass es bei der Matura keine Reform geben soll. Jeder, der dazu sinnvolle Vorschläge hat, sollte diese äußern - das Thema wird sicher in nächster Zeit intensiv zu diskutieren sein.
> ... In dem Schreiben der Frau BM an die Landesschulratspräsidenten
> steht folgender Absatz: "Die Lehrplanautonomie hat sich in den
> Hauptschulen und der Unterstufe der AHS bewährt. Nun wird auch in der
> Oberstufe durch eine neue Lehrplanverordnung die Schulautonomie
> eingeführt. Diese ermöglicht den Schulen, von den 138 Wochenstunden in
> der Oberstufe bis zu 24 Stunden für schulautonome und schülerautonome
> Gestaltungsmöglichkeiten zu verwenden. Der schülerautonome Bereich
> besteht aus Wahlpflichtfächern im Ausmaß von 6 - 12 Wochenstunden. Es
> bleibt der Schule freigestellt, entweder den bisherigen Lehrplan
> weiterzuverwenden oder mit dem neuen Lehrplan schulautonom einen
> Schwerpunkt zu setzen" ...
> 1) was bedeutet "schulautonomer", was "schülerautonomer" Bereich?
"Schulautonom" bedeutet, dass es vom SGA mit dreimal 2/3-Mehrheit beschlossen wird. "Schülerautonom" sind die Wahlpflichtgegenstände.
> 2) heißt das, dass der SGA etwa die Wahlmöglichkeiten der SchülerInnen
> auf 6, 8, 10 oder 12 Srunden in den Klassen 6-8 festlegt? NB: derzeit
> können SchülerInnen am RG 10 Stunden WPG belegen - eine Reduktion wäre
> ein riesen Rückschritt, eine Erhöhung von 10 auf 12 Stunden verdient
> den Namen "Reform" in keiner Weise.
Wenn eine Schule viele Stunden für eine Schwerpunktsetzung braucht, kann die Zahl der Wahlpflichtstunden reduziert werden. Das wurde schon bisher bei vielen Schulversuchen so gehandhabt, daher muss man diese Möglichkeit eröffnen, um erfolgreiche Schulversuche als schulautonome Schwerpunktsetzungen weiterführen zu können. Für die Schüler bedeutet das, dass sie statt eines Teils der Wahlpflichtgegenstände den Schwerpunkt sozusagen im Paket wählen.
Selbstverständlich soll keine Schule gezwungen werden, die Wahlpflichtgegenstände zu reduzieren. Ich halte Wahlpflichtgegenstände für sehr wichtig und unterrichte selbst sehr gerne Wahlpflichtgegenstände.
> 3) "...entweder den bisherigen Lehrplan weiterzuverwenden oder mit DEM
> neuen Lehrplan schulautonom einen Schwerpunkt zu setzen": Mit welchem
> neuen Lehrplan? ...
Ich vermute, dass die Ministerin mit dem "bisherigen Lehrplan" die bisherige Stundentafel meint. Die Stundentafel ist ja ein Teil der Lehrplanverordnung. Ein neuer Lehrplan wird vermutlich notwendig sein, wenn man die Autonomie in der Oberstufe einführen will: Wenn man einem Gegenstand Stunden wegnehmen kann, muss man einen Kernbereich vereinbaren, der auf jeden Fall unterrichtet werden muss. Es darf ja nicht passieren, dass ein Schüler, der die Schule wechselt (etwa weil die Familie den Wohnsitz wechselt), in der neuen Schule scheitert, nur weil ihm die Grundlagen, die er dort braucht, nie vermittelt worden sind. Und wenn man einen autonomen Schwerpunkt setzen will, wird man mit den bisherigen Rahmenlehrplänen wohl nicht das Auslangen finden, sondern einen Erweiterungsbereich, den möglichst der Lehrer selbst gestalten kann, brauchen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Friebel
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