SZ vom 03 05 02

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Was Eltern wissen dürfen – oder müssen

Erziehungsberechtigte volljähriger Schüler haben kein Recht, von der Schule informiert zu werden

Von Jeanne Rubner

Monatelang wähnten die Eltern ihren Sohn an der Schule, dabei hatte Robert Steinhäuser mit der Schule längst abgeschlossen. Weil er volljährig war, erfuhren seine Eltern auch nicht, dass er – nachdem er vom Gutenberg-Gymnasium geflogen war – auch die zweite Schule nicht mehr besuchte. Nach den Morden von Erfurt ist nun die Diskussion um die Zusammenarbeit von Schule und Eltern voll entbrannt.

„Mit der Volljährigkeit besteht eine Rechtsbeziehung nur zwischen Schule und Schüler“, bestätigt Peter Heesen, Vorsitzender des Philologenverbands. Das
heißt: Eltern haben kein Recht zu erfahren, was ihr Nachwuchs an der Schule treibt – mit teilweise absurden Folgen: etwa, dass erwachsene Schüler ihren Eltern eine Vollmacht für die Sprechstunde schreiben müssen. Nicht überall freilich halten sich Direktoren an die Regel. In Baden- Württemberg, heißt es aus dem Stuttgarter Kultusministerium, würden Eltern bei wichtigen Angelegenheiten immer informiert. „Wir unterrichten die Eltern über Schulprobleme, selbst wenn ihre Kinder volljährig sind“, bekennt auch Klaus Trauschke, Direktor des Fraunhofer-Gymnasiums im oberpfälzischen Cham und stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung der
Oberstudiendirektoren: „Falls Schüler uns dies schriftlich untersagen, dann teilen wir auch das den Eltern mit.“

Doch was in der bayerischen Provinz noch angehen mag, ist in Nordrhein- Westfalen tabu. Nur weil sie in der Schulpflegschaft engagiert war, habe sie gelegentlich „hinter vorgehaltener Hand“ von den Lehrern Informationen über ihre volljährigen Kinder erhalten, sagt die vierfache Mutter und Vorsitzende des Bundeselternrates, Renate Hendricks. Ansonsten sei das nicht üblich. Dabei käme es zu erheblichen Fehlzeiten in der Oberstufe. „Eine Benachrichtigung steht den Eltern zu“, findet auch Ludwig Eckinger, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung.

Zwar sind Eltern für ihren volljährigen Nachwuchs bis zum Alter von 27 Jahren finanziell verantwortlich, sie haben aber keinerlei Recht auf Information – eine Diskrepanz, die Eltern- und Lehrerverbände nun einmütig beklagen. Außerdem können die Pädagogen dann auch nicht Konfliktsituationen vorbeugen. „Lehrer wissen manchmal im Gegensatz zu den Eltern, ob die Schüler anwesend sind, ob sie mitarbeiten oder vielleicht auch nur übermüdet den Unterricht verfolgen, weil sie zuviel jobben“, sagt Renate Hendricks.

Das soll sich jetzt ändern. Peter Heesen will an die Kultusminister appellieren, die Schulgesetze zu ändern, so dass Mütter und Väter in Zukunft besser informiert werden. Wenn 18- bis 21-Jährige strafrechtlich anders behandelt würden als Erwachsene, müsse das auch während der Ausbildung möglich sein, ohne die Rechte der volljährigen Schüler zu beschneiden, sagt Heesen. Man könnte, schlägt Hendricks vor, entweder eine Klausel in die Schulgesetze aufnehmen, dass Eltern informiert würden, solange ihre Kinder wirtschaftlich abhängig seien. Oder aber die Schule könne einen Vertrag mit den Jugendlichen abschließen, in dem ein Informationsrecht der Eltern festgeschrieben sei. Nordrhein-Westfalens Schulministerin Gabriele Behler
(SPD) hat jedenfalls bereits Entgegenkommen signalisiert: Sie halte die derzeitige Rechtslage für problematisch, sagte sie zur SZ. „Ich lasse eine mögliche rechtliche Änderung prüfen.“



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