Bildung auf Abwegen oder der ganz "normale" Kapitalismus?
Ein Beitrag für alle, die an die Selbstkontrolle in der ach so "freien Marktwirtschaft" glauben.
mfG Günter Wittek ______________________________________________
SPIEGEL ONLINE - 17. April 2002, 13:18
URL: http://www.spiegel.de/unispiegel/geld/0,1518,191988,00.html
Glosse
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Was Professoren von Dealern unterscheidet
Zur Studienberatung kann man sich jetzt einen Professor mieten: bei "Genius" für 350 Euro, ein genialer Coup. Der Deutsche Hochschul- verband weiß, wie man Abiturienten für die Uni anfixt - Kapitalismus mit akademischem Antlitz. Kapitalismus ist, wenn Menschen ihre Fähigkeiten für Geld verkaufen. Berufsbeamtentum ist, wenn Menschen für ihre Anwesenheit Geld nehmen. Hochschullehrer-Beamtentum wiederum ist ganz ähnlich wie Kapitalismus: Man verkauft seine Fähigkeiten, nur dass es diesmal nicht an Anwesenheit gebunden ist. Die Anwesenheit eines Uni-Professors ist als Gnadenakt gegenüber den Studierenden zu verstehen, nicht als Dienstpflicht. Wer je versucht hat, einen Beratungstermin bei seinem Prof zu ergattern, weiß jedenfalls, weshalb die Regelstudienzeit so häufig überschritten wird. Aber jetzt ist Besserung in Sicht. "Genius" heißt das Projekt des Deutschen
Hochschulverbandes: Professoren bieten ein "ausführliches persönliches Beratungsgespräch" mit "umfassenden Informationen". Das klingt toll, hat aber einen Haken: Das Angebot richtet sich gar nicht an Studenten, sondern an Schüler, und es kostet 350 Euro. "Genius weiß, wie es an der Hochschule läuft", verheißt die Werbung. So sollen die Schüler für den Uni-Betrieb angefixt werden. Beim normalen Straßendealer funktioniert der Kapitalismus übrigens so: Das erste Mal ist umsonst, danach kostet es Geld, und dauernd läuft man dem Dealer über den Weg. An der Uni ist es genau umgekehrt.
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