Lieber Timo Davogg

Zu dem angeführten SN-Artikel einige bewusst provokante Anmerkungen.

(SN) Jeder siebte Euro des Bundesbudgets fließt in die Bildung, jeder
siebte österreichische Schüler kann kaum lesen. Wie effizient ist unser Bildungssystem?

- Es ist richtig, dass allein die Forderung nach mehr Geld es nicht bringt. Umgekehrt ist aber auch richtig, dass eine Reform, die nicht mehr kosten darf, auch nichts bringen kann.
Ich habe größte Bedenken, wenn wir uns an dem bisher Erreichten festklammern wie ein Ertrinkender an einem Strohhalm.
Ich bin für Behutasamkeit bei der Einführung von Neuerungen, nicht für ein leichtfertiges über Bord werden von Bewährtem, aber die bescheidene Bildungsausbeute muss dennoch zu denken geben.
Ich habe die Vision, dass ähnlich wie bei den Metallarbeitern, als Anfang der 80er Jahre die Rüstungskonversion auf der Tagesordnung stand, eine Auflistung unserer Ressourcen erfolgen kann und erfolgen wird, in der wir selber die Vorschläge erarbeiten und präsentieren, die höhere Effizienz bringen werden. Wenn von Seiten der Politik Signale kommen, dass an unseren Vorschlägen ernsthaft Interesse besteht, werden sie sicher sehr rasch vorliegen.

(SN) Es sei wichtig, "spannende Schule zu machen" - "Machen müssen es die Lehrer." In Österreich habe man eine Lehrer-Alters- struktur-,"die für Innovationen nicht sehr erfreulich ist".

Diese These hinkt. Wenn ich jetzt die Kollegen außer Betracht lasse, die die verbleibenden Unterrichtstage bis zur Pensionierung zählen, so haben wir bestimmt eine innovationsfreudige Kollegen- schaft. Ob dieser Wille zur Veränderung aber auch nachhaltig geschätzt wird, das wage ich energisch zu bezweifeln. Ich nehme es so wahr, dass wir uns zwar gerne - für ein Hochglanzprospekt mit der Schulwerbung im Rahmen autonomer Konkurrenz - den Anstrich von Modernität, Aufgeschlossenheit und Innovationsfreude geben, darunter aber die alten Hüte und alte Denkmuster nicht einmal gut verstecken.
Zur Schu(d)frage: Der Impuls zur Veränderung ist nicht das pädagogische Ziel, sondern die Absicht unsere Arbeit bestmöglich zu vermarkten. Das ist unehrlich und schreit danach, dass es erkannt,durchschaut und aufgeblättert wird.
Weiters stimmt meiner Beobachtung nach überhaupt nicht, dass insgesamt die jungen Lehrer innovativ sind, die älteren Lehrer dies strikt ablehnen. Die nicht im Schulbetrieb so fest verankerten Lehrer, diejenigen, die noch um Gunst buhlen müssen oder wollen, sind allerdings oft bereit manche optische Pseudoaktivität zu setzen, von der sie manchmal selber kaum überzeugt sind, sie hinter vorgehaltener Hand belächeln. Ob das der gewünschte Reform- Impuls sein kann?
Wenn Elterm die Adressaten solcher Scheinaktionen sind, dann ist es mir unverständlich, warum nicht ganz deutlich die Frage nach der Nachhaltigkeit gestellt wird. Woran können Nutzer von Angeboten erkennen, dass schulautonome Angebote tatsächlich einen Nutzen bringen?Mit dieser Fragestellung wird all denjenigen, die nur zum Zwecke der Selbst- und Kundentäuschung Angebote aufnehmen, rasch die Freude an unredlichen Angeboten verdorben.

Zu den politischen Anregungen des Artikels möchte ich vermuten, dass das Schulgesetz 1962 schlecht war, weil die Einführung der Zweidrittelmehrheit sich immer veränderungsfeindlich ausgewirkt hat. Daher ist es höchst an der Zeit die 2/3-Mehrheit für die Schulgesetze außer Kraft zu setzen. Dafür aber die verpflichtende Einführung / Weiterführung von Schulversuchen (auch als Erprobungs- phase).

mfG
Günter Wittek

PS.: Wenn ich wirklich einen großen Geldbetrag zur Verfügung hätte, dann wollte ich eine Schule nach meinen Vorstellungen gründen. Dieser Gedanke lässt mich nicht los. Jetzt schreib ich ihn mal. Denn "Wünschen wird man sich ja wohl noch was dürfen" - wie der Moderator beim Fest der Demokratie so schön gesagt hat.


----- Original Message -----
From: Timo Davogg
To: Lehrerforum
Sent: Saturday, May 11, 2002 3:04 PM
Subject: LF: SN: Offene Schul(d)fragen

SN 11 05 02 http://www.salzburg.com/sn/02/05/11/artikel/264898.html
Offene Schul(d)fragen





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