Lieber Kollege Zwickl,
wenn in GB Eisenbahnkatastrophen am laufenden Band geschehen, dann besteht für die Regierung sehr wohl Handlungsbedarf, auch wenn der entscheidende Fehler, die Privatisierung, bereits im Jahre 1994 passiert ist und zur Gänze nicht mehr zurückgenommen werden kann. (Auch in Österreich kann der nun von der Regierung beabsichtigte Schritt später nicht mehr völlig zurückgenommen werden, es sei denn, man greift dem Steuerzahler kräftig in die Tasche.) Diese Regierung begünstigt in uneinsehbarer Weise die Ihren, indem sie die Besteuerung des LKW-Verkehrs auf Autobahnen immer wieder hintertreibt, da werden riesige Beträge verschenkt.
Die Kritik an den "britischen Verhältnissen" kommt nicht nur aus einer grundsätzlichen Überlegung, sondern das Beispiel zeigt auch eindeutig, dass eine Koordination von etwa 250 privaten Unternehmen schlicht und einfach unmöglich ist, dass dieses System immer wieder anfällig ist für Fehler, die letztendlich alle zu Lasten der Kunden gehen. Es ist ein Unding, dass ein Unternehmen für die Schienen zuständig ist, ein anderes für die Signalanlagen, weitere andere für die Ausstattung der Bahnhöfe, andere für Zugsgarnituren und so fort. Auch die dort Beschäftigten kennen sich in diesem Dschungel nicht aus, das führt zu den Unfällen. Es gibt offensichtlich keine geregelten Verantwortlichkeiten, die festlegen, wann eine Lokomotive zur Kontrolle in die Werkstatt muss. Und das soll vorbildlich sein? Da hab ich doch als "Vorstand" meiner Märklin-Anlage mehr Verantwortungsbewusstsein. ;-)
Aber wieder ernsthaft: Privatisierung bedeutet, dass Busse künftig dort verkehren werden, wo sie betriebswirtschaftlich rentabel geführt werden können. Der Staat hat eine Verantwortung, dass die Menschen, die abseits der Ballungsräume leben und sich kein eigenes Auto leisten können, nicht in einem Getto leben müssen. Sie können mir nicht erklären, dass ein privater Unternehmer aus volkswirtschaftlichen Überlegungen mit Verlusten arbeiten wird. Und darum geht es. Um die Zukunft der kleinen Dörfer, der entlegenen Gemeinden. Es ist eine brutale, eine menschenverachtende Politik, die Leute von dort durch solche Maßnahmen zu vertreiben.
Freundliche Grüße
Günter Wittek
----- Original Message -----
From: Josef Zwickl
To: Günter Wittek ; Lehrerforum
Sent: Thursday, May 16, 2002 7:30 PM
Subject: Re: Post-Bus-Privatisierung / britische Verhältnisse?
Lieber Kollege Wittek!
Vielleicht machen Sie sich die Mühe und lesen Sie nach, dass das Zugunglück in England auf Sabbotage zurückzuführen war. Da kann die Regierung Blair nichts dafür!! Das von Ihnen gewählte Beispiel zeigt, dass Ihnen offenbar kein Beispiel noch so unbrauchbar erscheint, um zu demonstrieren, wie gut doch der Staat als Unternehmer sei. Die zahlreichen Positivbeispiele aus unserem Land vernachlässigen Sie natürlich aus durchaus einsichtigen Gründen. Verstaatlichung sit nun einmal OUT, weil ein Betrieb, in den die Politiker ständig hineinregieren in Zeiten der Globalisierung keine Chancen hat. Ohne Privatisierung gäbe es heute keine VOEST mehr oder der Staatsbankrott wäre noch deftiger ausgefallen. Ob die Postbusse unter der Oberaufsicht der ÖBB fahren oder weiter unter Postbus AG firmieren wird wohl die Sicherheit nicht wesentlich beeinflussen. Aber zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Schöne Grüße Josef Zwickl
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