S.g. Frau Laister!
Den letzten Beiträgen der Kollegen Friebel und Wittek entnehme ich, daß
unsere Diskussion immer noch mitgelesen wird, also mache ich weiter übers LF:
Laut Duden heißt "Polarisierung": "Aufspaltung (in zwei Lager o.ä.), bei der
die Gegensätze deutlich hervortreten; Herausbildung einer Gegensätzlichkeit"
Ich fühl(t)e mich bemüßigt, Ihnen gegenüber die Polarisierung zu verteidigen;
nicht, weil ich sie für ein Allheilmittel hielte, sondern weil ich Ihre
grundsätzliche Denunziation der P. für verfehlt halte. Es ist schon richtig,
daß sie manchesmal mißbraucht wird, um Gegensätze zu konstruieren, wo gar
keine sind, aber es gibt doch wohl auch Sachverhalte, die tatsächlich klar
divergent sind, und die auch als solche beschrieben werden müssen. Wenn man
sich in solchen Fällen um eine klare Stellungnahme drückt (z.B. aus
Harmoniesucht oder mangelnder Zivilcourage), dann handelt man unehrlich.
Damit die Sache nicht zu theoretisch wird: Wenn ein Jörg Haider den
Verfassungsgerichtshof infrage stellt, weil ihm eine Entscheidung nicht
paßt, oder wenn eine Vizekanzlerin von der paktierten Lohnnachzahlung für
2002 nichts mehr wissen will, dann ist das ein Bruch der Spielregeln. Den
braucht man nicht hineinzuinterpretieren, der ist für jedermann erkennbar,
und der gehört auch laut und deutlich angeprangert. In so einem Fall ist
Polarisierung angebracht - in dem einen Lager gilt der Grundsatz "pacta sunt
servanda", im anderen Lager nicht.
Vielleicht ist es Ihnen nicht bewußt, aber Ihr Einleitungssatz "Polarisieren
heißt für mich einmal grundsätzlich, daß Gegensätze geschafft {gemeint
offenbar: 'geschaffen'] werden", ist ein Fall von semantischem Kidnapping.
Sie nehmen einen harmlosen und wertneutralen Begriff her (siehe o.a.
Duden-Zitat) und unterstellen ihm die "Schaffung" von Gegensätzen. Mit dem
Vokabel "schaffen" insinuieren Sie die Erzeugung eines Kunstproduktes, d.h.
die behaupteten Gegensätze gäbe es gar nicht wirklich. Der Duden läßt aber
in seiner Definition die Gegensätze "hervortreten", und das ist etwas ganz
anderes, denn das setzt voraus, daß sie auch wirklich da sind.
Es bleibt Ihnen natürlich unbenommen, sich Ihrer eigenen Privat-Semantik zu
bedienen, aber wenn Sie dafür Begriffe heranziehen, die landläufig etwas
anderes bedeuten, dann wird die Sache verwirrend.
Und wenn man sich einen Begriff einmal zurechtgebogen hat, dann kann man ihn
natürlich für alles mögliche verwenden.
Als ein im Grunde seines Herzens boshafter Mensch schließe ich mit einem
Zitat von Ihnen aus Ihrem letzten Absatz: "Die Methode, mit der man etwas
macht, ist sehr wohl ein Bestandteil der Qualität dessen, was man macht."
MfG Erich Wallner
Sabine Laister wrote:
> S.g. Herr Wallner
>
> Polarisieren heißt für mich einmal grundsätzlich, dass Gegensätze
> geschafft werden. Das funktioniert am besten, indem man die Realität
> möglichst simpel darstellt (schwarz-weiss war das in meiner Diktion)
> und diese Darstellung dann noch mit ebenso simplen (und meistens
> meistens nicht explizit deklarierten weil dann leicht angreifbaren)
> emotionalen Werten unterlegt. Genau das passiert, wenn Menschen
> gegeneinander aufgehetzt werden. Sie werden in möglichst leicht
> erkennbare Gruppen eingeteilt und die jeweils "anderen" werden mit
> negativen Werten belegt. Je mehr das Selbstbild von Einzelnen sich
> über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe (Berufsstand, Nationalität,
> Fussballverein, Hautfarbe, Partei, wasauchimmer) definiert, desto
> anfälliger sind diese Einzelnen für Verhetzung.
>
> Und eine differenzierende Sicht der Dinge heisst, die Gültigkeit
> simpler Darstellungen (die eben Grundlage der Polarisierung sind) zu
> hinterfragen, wobei man schon mit ein bißchen Einsatz der grauen
> Zellen unweigerlich zu dem Schluß kommt, "na Moment, so einfach ist
> das nicht!" Dann wirds eine Spur unbequemer, dann muss man sich
> nämlich nach anderen Darstellungen der Realität umschauen und von
> Stammtisch und Bierzelt Abschied nehmen. Das hat nicht das Geringste
> mit Harmoniesucht zu tun, was auch immer das genau heissen mag.
>
> Und Proporz, wenn ich daran erinnern darf, heisst nichts anderes als
> ein proportionelles Verhältnis, in diesem Fall proporzionelles
> Machtverhältnis. Der Grund, warum das Wort eine negative Bedeutung
> hat, ist nicht die Frage, wie die Macht verteilt wurde und wird,
> sondern wie die verteilte Macht gebraucht wurde und wird. Das Problem
> ist, dass zu viele von denen, die an der Macht sind, ständig
> vergessen, dass sie für ALLE verantwortlich sind, die unter ihrer
> Macht stehen und nicht nur für die, die sie an die Macht gebracht
> haben. Manche vergessen ihre Verantwortung überhaupt, hat man oft
> genug den Eindruck. Womit wir wieder beim Handlungsethos wären.
>
> Und übrigens, die Methode, mit der man etwas macht ist sehr wohl ein
> Bestandteil der Qualität dessen, was man macht. Schaun sie doch in die
> Klassenzimmer! Schauen Sie irgendwohin! Inhalt+Methode=Qualität
> (zugegeben, das ist jetzt auch ein bisschen simplifiziert)
>
> MfG
> sl
>
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