S.g. Frau Laister!
1. Die Bibel habe ich nur in Ermangelung von etwas Besserem zitiert. In
dieser Verlegenheit bin ich nun nicht mehr:
"... eine differenzierende Sicht der Dinge heißt,die Gültigkeit simpler
Darstellungen (die eben Grundlage der Polarisierung sind) zu hinterfragen
..." (S. Laister, 17.5.2002, 13:28, LF)
Indem ich meinen letzten Beitrag einer differenzierenden Sicht des
Begriffes "Polarisierung" (unterschieden nach der Fasson Duden und der
Fasson Laister) gewidmet habe, habe ich mir das Urteil "haarspalten" im
Betreff eingehandelt. (Ich nehme doch nicht an, daß Sie es auf Ihre eigenen
Ausführungen gemünzt haben.)
Unter Ihren Händen, s.g. Frau Laister, mutieren also nicht nur
Wörterbuch-Definitionen, sondern sogar Ihre eigenen! Was der einen ihre
"differenzierende Sicht der Dinge", ist Haarspalterei bei einem anderen.
2. Wenn Sie es ablehnen, daß real existierende Gegensätze mittels
Polarisierung "instrumentalisiert" werden, und darunter u.a. ein Hervorrufen
eines "Lager"-Denkens verstehen, dann stelle ich Ihnen am besten ein paar
Fragen:
a) Die Wehrmachtsausstellungen I und II zeig(t)en, daß es anständige und
unanständige Soldaten gegeben hat. Daß sie zu einer Polarisierung geführt
hat, ist wohl unbestreitbar. Verstehe ich Sie richtig, daß Sie also die
Wehrmachtsausstellung am liebsten verbieten würden?
b) Die Anklage im Milosevic-Prozeß will M. als Verbrecher überführen; in den
Medien hören wir von Demonstrationen serbischer Patrioten für den letzten
Verteidiger des wahren Serbentums. Viel polarer geht es nicht mehr -
Schlußfolgerung?
c) Können Sie sich noch an die Diskussionen pro und contra Abtreibung in den
70er-Jahren erinnern? KindesmörderInnen auf der einen Seite und "mein Bauch
gehört mir" auf der anderen? Hätte man das Thema lieber ruhen lassen sollen
und den Paragrafen nicht anrühren?
d) Herbst / Winter 1984 - Hainburger Au: der gewaltbereite kommunistische
Mob linksradikaler Wiener Bürgerkinder auf der einen Seite und aufrechte
Gewerkschafter auf der anderen. Keine Polarsierung? Noch Jahre danach weinte
Verbund-General Freymuth jedem Kilowatt Strom nach, welches ungenützt die
Donau hinunterschwamm. Sinowatz hat hintennach abgewiegelt - aber was hätten
Sie vorher getan?
Mit neugierigen Grüßen Erich Wallner
(P.S. Ich nehme jetzt eine Aus-Zeit von drei Tagen für die Erforschung der
Buckligen Welt. Kein Kneifen!)
Sabine Laister wrote:
> S.g. Herr Wallner
>
> Ich entnehme der Anzahl von Mails in meiner Mailbox, dass noch einige
> mehr (schon sehr überraschend, wer da aller mitliest!) unsere
> Diskussion verfolgen. Danke für das nette Feedback. Soooo privat
> scheint meine Semantik ja doch nicht zu sein.
>
> Lieber Herr Wallner, es ist zwar vermutlich nicht als Kompliment
> gemeint, aber ich bedanke mich trotzdem dafür: Sie haben bis jetzt
> immerhin neben nichts geringerem als der Bibel und dem Duden nun auch
> mich zitiert. Ehrt mich zutiefst. (Macht mich aber trotzdem nicht zur
> grossen Freundin von
> Zitaten.)
>
> Im Übrigen muss ich Ihnen gestehen, dass Ihre Ausführungen diesmal für
> mich über weite Strecken nicht ganz so leicht verständlich sind. Ob
> das an meiner Auffassungsgabe oder an Ihrem Text liegt, mögen andere
> beurteilen. Ich kann mich jedenfalls des Eindruckes nicht erwehren,
> dass wir ein bisschen aneinander vorbeischreiben.
>
> Korrigieren Sie mich bitte, wenn ich das falsch verstanden habe: Sie
> schätzen klare Stellungnahmen zu Sachverhalten, wer die nicht von sich
> gibt ist entweder harmoniesüchtig oder hat keine Zivilcourage. Warum
> diese Sachverhalte "divergent" sind (oder sein müssen?), und was das
> mit Polarisierung zu tun hat, kann ich nicht nachvollziehen.
> (zugegeben: ist im Grunde mein Problem)
>
> Die Polarisierung, die ich meine, hat im gängigen Sprachgebrauch (wo
> er im Gegensatz zum Duden weder harmlos noch wertneutral ist) etwas
> mit einer grossen Gruppen von Menschen zu tun ("Polarisierung einer
> Gesellschaft"). Ich verstehe sie als (weder harmlosen noch
> wertneutralen) schleichenden, schwer fassbaren Prozess der
> Frontenbildung in dieser Gruppe, der zuerst über weite Strecken nur an
> Details erkennbar ist: An Aussagen im öffentlichen Diskurs, an
> einzelnen Reaktionen von Menschen aufeinander im Alltag, etc. Später
> dann an der Häufigkeit und/oder Vehemenz, mit der in den
> verschiedensten Situationen ein Bekenntnis zum einen oder anderen
> "Lager", zur einen oder anderen Gruppe gefordert oder unterstellt wird
> (damit man dann auch ordentlich seine Vorurteile ausleben kann). An
> der Häufigkeit und/oder Vehemenz, mit der die Verweigerung eines
> solchen Bekenntnisses als Schwäche heruntergemacht wird. (liebe Grüsse
> von der lauen Seite!) Die Gegensätze sind natürlich immer da (ich
> bekenne mich zur Ungenauigkeit im Ausdruck!), genauso wie
> Meinungsverschiedenheiten, Konflikte, Unterschiede. Die Polarisierung,
> die ich meine und ablehne, instrumentalisiert sie. Und DAgegen wehre
> ich mich.
>
> Entschuldigens, dass ich Sie wieder mit meiner "Privat-Semantik"
> behellige. Ich erlaube mir, meinen Kopf gelegentlich für die
> Entwicklung eigener Gedanken zu verwenden. Ich kann aber leider nicht
> versprechen, dass ich Sie damit nicht mehr verwirre. Sollte es zu
> schlimm werden und ihr Mitleid mit den zurechtgebogenen Begriffen
> unerträglich werden, empfehle ich freundlichst, einfach von der
> Lektüre Abstand zu nehmen.
>
> Andernfalls in sehnlicher Erwartung Ihrer Erwiderung
>
> sl
>
>
>
>
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