S.g. Herr Wallner

Ich komme zu dem Schluss, dass wir einander so schnell nicht ausreichend verstehen werden. Milde formuliert.

Nur ein paar Belege:

Sie halten permanent das "was" und das "wie", oder sogar das "ob" und das "wie" nicht auseinander. Das macht´s für mich zugegeben schon ein bisschen schwierig. Klar zum Beispiel, dass man zu den unten genannten Punkten Stellung beziehen kann, die Frage ist, wie man das macht. Natürlich MUSS das alles nicht auseinanderhalten, aber für´s Verständnis (oder auch für die erwähnte differenzierte Weltsicht) hilft das schon enorm. (Und nur um es auch gesagt zu haben: "auseinanderhalten" heißt nicht "trennen"). Für mich persönlich gehört es quasi zum kleinen Einmaleins einer Diskussion, ein paar Dinge auseinanderzuhalten, aber wenn Sie darüber anderer Auffassung sind, ist das für mich natürlich in Ordnung. Wir können halt dann nicht besonders gut diskutieren.

Sie werfen mir vor, dass ich mir meine Begriffe zurechtschneidere (das war vermutlich mit "Fasson" gemeint.) Ich halte das bei allem Respekt für ein etwas hilfloses Argument, denn niemand, der auch nur ein bisschen nachdenkt, macht das anders. Oder glaube Sie allen Ernstes, ich verwende Begriffe, über die ich vorher nicht nachgedacht habe? Und ein solches Argument (wenn auch implizit) als Vorwurf zu gebrauchen, naja. Keine zwei Menschen, die die gleichen Begriffe gebrauchen, können exakt dasselbe damit meinen. Ein gewisses Maß an Erklärungen verhindert im Idealfall Missverständnisse (hier liegt aber, zugegeben, auch nicht nur annähernd ein Idealfall vor). Gegenseitiges Verstehen (in einer
Kommunikationssituation) ist nie eine entweder-oder-, sondern eine
mehr-oder-weniger- Frage.


Ich werde mich aufgrund eingangs erwähnter Erkenntnis daher aus der Diskussion verabschieden. Nein, ich "kneife" nicht. Erstens kann ich damit leben, dass die Werte unseres gegenseitigen Verstehens eher im "weniger" Bereich anzusiedeln sind. Zweitens und wichtigstens habe ich zu wenig Zeit. Die Teilnahme an dieser Diskussion war ein kleiner Luxus, den ich mir einfach nicht mehr gönnen kann (und auch nicht will). Egal also, was Sie als Antwort schreiben werden, ich werde die Diskussion nicht fortführen (können).

Sie können sich also unwidersprochen austoben.

Viel Spass dabei und in der Buckligen Welt.

sl



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: owner-lehrerforum@ccc.at [mailto:owner-lehrerforum@ccc.at]Im
Auftrag von Erich Wallner
Gesendet: Sonntag, 19. Mai 2002 19:38
An: Lehrerforum
Betreff: Re: LF: sprachfallenhaarspalten


S.g. Frau Laister!

1. Die Bibel habe ich nur in Ermangelung von etwas Besserem zitiert. In dieser Verlegenheit bin ich nun nicht mehr: "... eine differenzierende Sicht der Dinge heißt,die Gültigkeit simpler Darstellungen (die eben Grundlage der Polarisierung sind) zu hinterfragen ..." (S. Laister, 17.5.2002, 13:28, LF)

Indem ich meinen letzten Beitrag einer differenzierenden Sicht des Begriffes "Polarisierung" (unterschieden nach der Fasson Duden und der Fasson Laister) gewidmet habe, habe ich mir das Urteil "haarspalten" im Betreff eingehandelt. (Ich nehme doch nicht an, daß Sie es auf Ihre eigenen Ausführungen gemünzt haben.)

Unter Ihren Händen, s.g. Frau Laister, mutieren also nicht nur Wörterbuch-Definitionen, sondern sogar Ihre eigenen! Was der einen ihre "differenzierende Sicht der Dinge", ist Haarspalterei bei einem anderen.

2. Wenn Sie es ablehnen, daß real existierende Gegensätze mittels Polarisierung "instrumentalisiert" werden, und darunter u.a. ein Hervorrufen eines "Lager"-Denkens verstehen, dann stelle ich Ihnen am besten ein paar
Fragen:

a) Die Wehrmachtsausstellungen I und II zeig(t)en, daß es anständige und unanständige Soldaten gegeben hat. Daß sie zu einer Polarisierung geführt hat, ist wohl unbestreitbar. Verstehe ich Sie richtig, daß Sie also die Wehrmachtsausstellung am liebsten verbieten würden?

b) Die Anklage im Milosevic-Prozeß will M. als Verbrecher überführen; in den Medien hören wir von Demonstrationen serbischer Patrioten für den letzten Verteidiger des wahren Serbentums. Viel polarer geht es nicht mehr - Schlußfolgerung?

c) Können Sie sich noch an die Diskussionen pro und contra Abtreibung in den 70er-Jahren erinnern? KindesmörderInnen auf der einen Seite und "mein Bauch gehört mir" auf der anderen? Hätte man das Thema lieber ruhen lassen sollen und den Paragrafen nicht anrühren?

d) Herbst / Winter 1984 - Hainburger Au: der gewaltbereite kommunistische Mob linksradikaler Wiener Bürgerkinder auf der einen Seite und aufrechte Gewerkschafter auf der anderen. Keine Polarsierung? Noch Jahre danach weinte Verbund-General Freymuth jedem Kilowatt Strom nach, welches ungenützt die Donau hinunterschwamm. Sinowatz hat hintennach abgewiegelt - aber was hätten Sie vorher getan?

Mit neugierigen Grüßen Erich Wallner

(P.S. Ich nehme jetzt eine Aus-Zeit von drei Tagen für die Erforschung der Buckligen Welt. Kein Kneifen!)


Sabine Laister wrote:

> S.g. Herr Wallner
>
> Ich entnehme der Anzahl von Mails in meiner Mailbox, dass noch einige
> mehr (schon sehr überraschend, wer da aller mitliest!) unsere
> Diskussion verfolgen. Danke für das nette Feedback. Soooo privat
> scheint meine
Semantik
> ja doch nicht zu sein.
>
> Lieber Herr Wallner, es ist zwar vermutlich nicht als Kompliment
> gemeint, aber ich bedanke mich trotzdem dafür: Sie haben bis jetzt
> immerhin neben nichts geringerem als der Bibel und dem Duden nun auch
> mich zitiert. Ehrt mich zutiefst. (Macht mich aber trotzdem nicht zur
> grossen Freundin von
> Zitaten.)
>
> Im Übrigen muss ich Ihnen gestehen, dass Ihre Ausführungen diesmal für
mich
> über weite Strecken nicht ganz so leicht verständlich sind. Ob das an
meiner
> Auffassungsgabe oder an Ihrem Text liegt, mögen andere beurteilen. Ich
kann
> mich jedenfalls des Eindruckes nicht erwehren, dass wir ein bisschen
> aneinander vorbeischreiben.
>
> Korrigieren Sie mich bitte, wenn ich das falsch verstanden habe: Sie
> schätzen klare Stellungnahmen zu Sachverhalten, wer die nicht von sich
gibt
> ist entweder harmoniesüchtig oder hat keine Zivilcourage. Warum diese
> Sachverhalte "divergent" sind (oder sein müssen?), und was das mit
> Polarisierung zu tun hat, kann ich nicht nachvollziehen. (zugegeben:
> ist
im
> Grunde mein Problem)
>
> Die Polarisierung, die ich meine, hat im gängigen Sprachgebrauch (wo
> er im Gegensatz zum Duden weder harmlos noch wertneutral ist) etwas
> mit einer grossen Gruppen von Menschen zu tun ("Polarisierung einer
> Gesellschaft"). Ich verstehe sie als (weder harmlosen noch
> wertneutralen) schleichenden, schwer fassbaren Prozess der
> Frontenbildung in dieser Gruppe, der zuerst über weite Strecken nur an
> Details erkennbar ist: An Aussagen im öffentlichen Diskurs, an
> einzelnen Reaktionen von Menschen aufeinander im Alltag, etc. Später
> dann an der Häufigkeit und/oder Vehemenz, mit der in
den
> verschiedensten Situationen ein Bekenntnis zum einen oder anderen
> "Lager", zur einen oder anderen Gruppe gefordert oder unterstellt wird
> (damit man dann auch ordentlich seine Vorurteile ausleben kann). An
> der Häufigkeit und/oder Vehemenz, mit der die Verweigerung eines
> solchen Bekenntnisses
als
> Schwäche heruntergemacht wird. (liebe Grüsse von der lauen Seite!) Die
> Gegensätze sind natürlich immer da (ich bekenne mich zur Ungenauigkeit
> im Ausdruck!), genauso wie Meinungsverschiedenheiten, Konflikte,
> Unterschiede. Die Polarisierung, die ich meine und ablehne,
> instrumentalisiert sie. Und DAgegen wehre ich mich.
>
> Entschuldigens, dass ich Sie wieder mit meiner "Privat-Semantik"
behellige.
> Ich erlaube mir, meinen Kopf gelegentlich für die Entwicklung eigener
> Gedanken zu verwenden. Ich kann aber leider nicht versprechen, dass
> ich
Sie
> damit nicht mehr verwirre. Sollte es zu schlimm werden und ihr Mitleid
> mit den zurechtgebogenen Begriffen unerträglich werden, empfehle ich
> freundlichst, einfach von der Lektüre Abstand zu nehmen.
>
> Andernfalls in sehnlicher Erwartung Ihrer Erwiderung
>
> sl
>
>
>
>


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