Lieber Günter
> Lieber Ronald,
> Liebwerte KollegInnen
>
> Weil ich den Alltag in einer AHS kenne, schließe ich mich weitgehend
> der Kollegin Kranz an. Es schwirren manchmal im Konferenzzimmer
> beängstigende Hassgefühle gegen Schüler herum, die natürlich auch
> nicht aus dem luftleeren Raum kommen, sondern vielleicht einer
> Verbitterung entspringen, weil ein Schüler zum angekündigten
> Prüfungstermin taktisch gefehlt hat. Aber ich halte es nicht bloß für
> einfallslose Unterstellung von Schüler- oder Elternseite, dass manche
> KollegInnen bei Prüfungen die Latte derart hoch legen, dass der
> Schüler den Anforderungen trotz ehrlichem Bemühen nicht entsprechen
> kann.
® Und? Was passiert dann? Beschwerden bei DirektorIn/LSI? Oder nix?
> RE > Auch kann ich es nicht als ernstzunehmende Argumentation RE >
> gelten lassen, wenn aus Einzelfällen die eigene Doktrin RE >
> untermauert wird.
>
> Ich habe kein statistisches Material zur Verfügung, aber nach meinem
> Verständnis geht es nicht bloß um die Spitze des Eisberges, die zu
> Schulabbrechern werden, sondern es geht genauso um diejenigen, die
> durch den Schulstress die Freude am Lernen verlieren, die Schule
> überhaupt nur noch mit negativen Vorstellungen und Gefühlen in
> Verbindung bringen, die aus rationalen Überlegungen (persönlicher
> Lebensplanung) all die Anforderungen auf sich nehmen, aber in Wahrheit
> diesem Schulsystem in einer schroff ablehnenden Weise gegenüberstehen.
® Ich verneine schlichtweg, dass das so sein muss -- ich nehme meine Schule ganz anders wahr als Du Deine -- wir sind ja doch eine Insel der Seeligen in der "Krottenburg".
> Natürlich sind die "allmächtigen" gottähnlichen Lehrer längst
> entthront, aber deswegen brauchen wir nicht die Augen verschließen vor
> den realen Möglichkeiten von Machtmissbrauch. Dieser entsteht aus
> Frustration, aus einem Gefühl persönlicher Ohnmacht gegenüber einer
> bedrückenden Situation.
® wenn das so ist, dass die SchülerInnen bei Euch sooo frustriert sind, dann ist doch von deren Seiten (nach deiner Logik) ebenfalls mit allerley Kontraproduktivitäten {a la mit Klopapier verstopften Klomuscheln ;-)} zu rechnen, oder?
> Gerade in einer Zeit, in der uns
> immer mehr Belastungen und Aufgaben aufgetragen werden, besteht die
> Gefahr, diesen Frust weiterzugeben und abzuwälzen.
>
> Auch ich sehe es so, dass die Probleme nicht in erster Linie aus einer
> Böswilligkeit der Lehrer kommen. Aber ich registriere, dass viele von
> uns bei Schwierigkeiten der Schüler wie Unbeteiligte zuschauen und
> sich so verhalten, als würde uns das alles gar nichts angehen.
® An meiner Schule ist DAS NICHT SO!
> Einen Mangel an Sensibilität bemerke ich auch dort, wo
> die Leistung einfach zum Dogma erhoben wird. Es erschreckt mich trotz
> der zahlreichen Dienstjahre immer noch, wie manchmal objektive
> Maßstäbe gerade dann umso mehr herhalten müssen, wenn zuvor nicht
> einmal der geringste Versuch einer Beratung stattfindet.
>
> Weil ich davon überzeugt bin,
® so zu sagen a priori?
> dass meine Beobachtungen unabhängig
> sind von den beobachteten Personen, dass vergleichbare Zustände und
> Vorfälle systembedingt an allen andern Standorten in ähnlicher Weise
> auftreten, so kann die richtige Antwort darauf nur sein, dass wir für
> uns als Lehrer Entlastung suchen und einen Teil der Verantwortung an
> diejenigen abtreten, die diese Probleme aufgrund einer spezifischen
> Ausbildung besser bewältigen können. Ceterum censeo, dass wir an jedem
> Standort Lehrer brauchen, die als Mediatoren in Konflikte regelnd
> eingreifen können.
® Da bin ich ganz deiner Meinung, die brauchen wir.
> mfG
> Günter Wittek
Pardon, wenn ich Koll. Kranz nicht mehr antworte, aber lass mich doch nicht dafür verantwortklich machen, dass Heinrich Mann sein bekanntes Büchl nicht "Professorin Unrätin" genannt hat! (symmetrisch dazu dann "der fesche Lolus"?).
Meine Coclusio zur unliebsamen Geschicht':
Ich geb schon zu, dass LehrerInnen eine große Aufgabe zu bewältigen haben, allein, woran die Ignoranz mancher SchülerInnen liegt, weiß ich nicht immer bei allen im Detail anzugeben (bei mir warens heuer in Summe 180 Stück, nämlich schülerInnen). Wer unter meinen Zöglingen Probleme hatte, wurde, wie das Gesetz es befiehlt, mit Mama/Papa zum Gespräch geladen -- und es hat zumeist sich das Problem, nun nicht immer in Wohlgefallen, aber doch Befriedigend bis Genügend aufgelöst. Und wer 's beim ersten Mal nicht derpackt, kommt halt noch einmal daran -- zu schaffen ist es für alle. Und gerade DIE freuen sich halt gar sehr, welche das Stoffgebietl dann so gut gelernt haben, dass sie 's auf Sehr gut oder Gut derpacken (was aber bei mir nicht Bedingung ist).
An meiner Schule gibt es schon lange keine Götter (Cu oder ähnlich) mehr -- und es tut mir nicht leid.
Ronald Eidenberger
1060 Wien
ChemielehrerIn an der Krottenburg
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