Profil 09 06 02
"Keine Gleichmacherei"
Bildungsministerin Gehrer über die aktuelle bildungspolitische Debatte.
profil: Was halten Sie vom Vorschlag des FPÖ-Generalsekretärs Karl Schweitzer, die Matura in der jetzigen Form abzuschaffen?
Gehrer: Gar nichts. Die Matura hat in Österreich – gerade auch im Vergleich mit anderen Ländern – ein sehr hohes Niveau. Mit einem österreichischen Reifezeugnis werden Ihnen etwa an manchen amerikanischen Universitäten Punkte, so genannte Credits, angerechnet. Man darf auch nicht vergessen, dass mit der Matura an berufsbildenden höheren Schulen Berufsberechtigungen verbunden sind. Da kann man nicht einfach sagen: Wozu brauchen wir die Matura, weg damit. Außerdem war es nicht sehr gescheit von Schweitzer, die Abschaffung der Reifeprüfung mitten in der Maturazeit zu fordern. Da müssen ja die Maturantinnen und Maturanten fürchten, dass ihre Prüfung nichts mehr wert ist. Für mich ist wichtig: Ich will keine Nivellierung nach unten und keine Gleichmacherei nach altem sozialistischem Muster.
profil: Schweitzer hat auch mit der nervlichen Anspannung der Maturakandidaten argumentiert.
Gehrer: Die kann man nicht wegdiskutieren. Aber die Maturanten sollen sich ja an Prüfungssituationen an Universitäten oder Hochschulen gewöhnen. Es gibt auch im Berufsleben ständig Situationen, wo man unter Druck Leistungen erbringen muss. Außerdem kann man eine verhaute Matura ja wiederholen. Bei einem verpatzten Bewerbungsgespräch gibt es keine zweite Chance.
profil: Auch die SPÖ und die Grünen fordern eine Reform der Matura.
Gehrer: Ich bin nicht gegen Änderungen. Nachdenken kann man über alles. Die Refom der Matura wird sicher eine der dringendsten Aufgaben in der nächsten Legislaturperiode. Aber schon heute ist die Matura längst nicht mehr das bloße Wiederholen von Gelerntem. Es geht vielmehr um die Fähigkeit, Aufgaben eigenverantwortlich und selbstständig zu lösen. Ich bin dafür, die gute österreichische Matura weiter zu entwickeln. So könnte man Teile der Prüfungen auch in einer Fremdsprache ablegen. Es spricht nichts dagegen, dass eine Maturaarbeit in Mathematik auch am Computer abgelegt wird. In diese Richtung sollte es gehen.
profil: FPÖ-Generalsekretär Schweitzer hat auch mit den hohen Kosten der Reifeprüfungen argumentiert.
Gehrer: Das wird heillos übertrieben, um Neidkomplexe zu erzeugen. Die Direktoren großer Gymnasien haben eine ungemein wichtige Aufgabe, und sie werden dafür nicht ausreichend bezahlt. Ich bin dafür, dass sie ähnlich wie die Schulinspektoren ein anständiges All-inclusive-Gehalt beziehen. Der Vorsitz bei Reifeprüfungen wäre damit dann ebenfalls abgegolten.
profil: Was halten Sie vom „Modulsystem“ der SPÖ, bei dem man einzelne Gegenstände schon in der siebten Klasse abschließen kann?
Gehrer: Das würde den traditionellen Klassenverband zerreißen. Wir haben solche Vorschläge in Schulversuchen ausprobiert, es hat sich nicht bewährt. Ich fordere die Direktoren seit drei Jahren auf, neue Schulversuche rund um die Matura anzumelden. Bis heute liegt mir fürs nächste Schuljahr noch kein einziger Vorschlag vor.
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