Es braucht wohl nicht viel Fantasie, um sich die logischen Folgen dieses
Systems vorzustellen, bei dem die Fragen von auswärts kommen, ebenso wie die
Korrektur:

1. Wie die Leistung eines Fußballtrainers an der Leistung seiner Mannschaft
gemessen wird, so wird man den Lehrer an den Ergebnissen seiner Schüler messen.
Was also wird ein Lehrer tun?
Wer möchte sein eigenes Kind an einer Schule haben, wo es von einem Dutzend
Lehrer unterrichtet wird, die alle ängstlich* um ihr Leiberl rennen?
[* ängstlich, weil sie ja im Dauerstreß leben - sie müssen jedes Jahr selber
Matura machen!] Dreimal darf geraten werden, an wem der Druck ausgeht, unter
dem dann die Lehrer stehen.
Die Interventionen bei der Lehrfächerverteilung will ich mir gar nicht
vorstellen (auch in die andere Richtung: "Was, die versaute 7a soll ich
übernehmen, kommt ja gar nicht infrage, die geht ja dann auf mein Konto bei
der Matura!")

2. Ein Lehrer wird nicht mehr das tun können, was er für sinnvoll befindet,
so wie ich es jetzt z.B. in Englisch an einer AHS tun kann. Den Luxus, (in
der Oberstufe) ohne Lehrbuch zu unterrichten, werde ich mir sicher nicht
mehr leisten können.
Stattdessen wird das ganze Land jene Dinge pauken, die zur letzten Matura
gekommen sind.
Oder es werden jedes Jahr - so wie in England oder Frankreich - bestimmte
jeweils neue Themenkreise vorgegeben, die dann von allen abgearbeitet werden
müssen - heuer ist Charles Dickens dran, voriges Jahr war es Ernest
Hemingway, und nächstes Jahr wird es vielleicht Jane Austen oder Agatha
Christie sein (weil jetzt nach zwei Männern auf jeden Fall eine Frau dran
ist - man will ja nicht sexistisch sein).
Oder voriges Jahr Drogen, heuer Umweltschutz, und nächstes Jahr
Menschenrechte - von Bregenz bis nach Eisenstadt. Und das soll ein
Fortschritt sein?
Terroristen haben das WTC flach gelegt? Interessiert uns nicht, heuer ist
Umweltschutz dran. Da ist maximal die Staubbelastung für Lower Manhattan drin.

3. Momentan wird gerade der unzumutbare Stress bei der (aktuellen) Matura
beklagt. Wie wird man dann erst die Matura aus dem versiegelten Kuvert
empfinden?
Und als letztes Zuckerl - die Ergebnisse in England erfährt man nach 4 - 6
Wochen! Davon hängt aber die Wahl des Studiums ab.
Einen erholsamen Juli wünsche ich den KandidatInnen!

Erich Wallner



Erich Ganspoeck wrote:


>
>> Der Weg zum Abitur ist anderswo weit härter. In Frankreich, Finnland
>> und Großbritannien stammen die Prüfungsfragen von unabhängigen
>> Kommissionen, die dann auch die zurückgesandten Arbeiten bewerten.
>>
> Wer sitzt da drinnen? Ich denke hier mit gemischten Gefühlen an viele
> unserer "Experten". Wieviele Leute korrigieren da eigentlich wieviel
> Arbeiten? Und nach welchem Schema? Da wüsste ich gerne, ob das in
> Richtung Multiple Choice geht. Als Techniker kann ich mir noch
> vorstellen, Beispiele mit mathematischem Inhalt objektiv zu bewerten.
> Aber wie sieht das in Sprachen aus?
>

>
>> In Frankreich werden die Prüfungsfragen für das Bacalauréat jedes Jahr
>> identisch und zeitgleich an alle höheren Schulen verschickt.
>>
> Das bedeutet natürlich, dass alle Schüler ident vorbereitet werden
> müssen. Wie groß ist hier der Freiraum für Lehrer?
>
> mfg
> Erich Ganspöck
>
>
>


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