14.06.2002 19:01 MEZ derstandard.at
Beamte wollen nicht geschröpft werden
Liquide Krankenkassen wehren sich dagegen,
für defizitäre zu zahlen - Neugebauer kündigt
Verfassungsklage an
Bildtext: Fritz Neugebauer, Chef der Beamtengewerkschaft,
kann sich auch vorstellen, einen eigenen Ausgleichsfonds
für Bauern, Gewerbe, Eisenbahner und Beamte zu schaffen.
Bei diesen Versicherungsanstalten lägen vergleichbare
Systeme vor, eine solche Lösung wäre daher verfassungskonform.
Wien - "Von der Methode und vom Inhalt her inakzeptabel." So harsch reagiert der schwarze Chef der Beamtengewerkschaft, Fritz Neugebauer, im STANDARD-Gespräch auf den Beschluss der 60. ASVG-Novelle. Methodisch stört ihn, dass der Ministerrat den Beschluss vor Ende der Begutachtungsfrist gefasst hat. Inhaltlich bringt ihn auf, dass nun die Beamtenkasse zur Stützung finanzschwacher Kassen in den Solidaritätsfonds einzahlen soll, und zwar 35 Millionen Euro pro Jahr. Neugebauer will zum Verfassungsgerichtshof ziehen.
Seine Begründung: Die Beamtenkasse sei ein anderes System, habe etwa Selbstbehalte von 20 Prozent, daher sei es verfassungswidrig, daraus Kassen mit niedrigeren Selbstbehalten zu subventionieren. Zudem, schimpft Neugebauer, "kommen durch die Geldabschöpfaktion ausgeglichene Träger in rote Zahlen".
Die Eisenbahner sehen das ähnlich: Auch sie, die 14 Prozent Selbstbehalt haben, wollen vor dem Höchstgericht klagen, dass nun auch sie in den Solidaritätsfonds einzahlen müssen. Und auch der Chef der Wiener Gebietskrankenkasse (GKK), Franz Bittner, kündigt im STANDARD-Gespräch an, dass Montag auf der Konferenz der GKK-Chefs eine Verfassungsklage diskutiert wird. Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber (ÖVP) hat ebenfalls eine Klage avisiert. Er will sich dagegen wehren, dass der Solidaritätsbeitrag von zwei auf vier Prozent erhöht wird.
Die ASVG-Novelle sieht vor, dass liquide Kassen maroden aus Finanznöten helfen. Den Hauptbrocken muss die Versicherung der gewerblichen Wirtschaft (72 Millionen) leisten, betroffen sind die GKK Oberösterreich (45 Millionen), Niederösterreich (35 Millionen), Vorarlberg (15 Millionen), die der Beamten, Bergbau und Eisenbahner. Der Chef der OÖGKK sieht das als "Plünderung" und warnt, dass Leistungskürzungen die Folge sein können.
Betrachtet man die Kassen nach den Ausgaben pro Versicherten, so sind die Bauern am "billigsten", die Beamten hingegen am teuersten. Bauern gehen weniger zum Arzt als andere und haben zwar keine Krankenscheingebühr, dafür einen Selbstbehalt von 6,81 Euro pro Arztbesuch ohne Ausnahmen. Die Bauernkasse wird mithilfe des Ausgleichsfonds mittlerweile zwar ausgeglichen bilanzieren, muss aber noch einen Schuldenberg von früher abbauen.
Die Kasse der Landwirte leidet (wie die burgenländische GKK) unter einem Strukturproblem: 50 Prozent ihrer Versicherten sind Pensionisten. Ähnliche Schwierigkeiten hat Wien. Wer viele beruflich aktive Versicherte hat (etwa die OÖGKK), verzeichnet höhere Einnahmen. (Eva Linsinger, Martina Salomon/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15./16. Juni 2002/red)
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(in der mitgelieferten, mies gescannten Grafik sieht Frau ÖsterreicherIn, was echte Privilegien sind: Selbstbehalte sogar für mitversicherte Kinder!)
R.E.
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