DER STANDARD
Dienstag, 18. Juni 2002, Seite 19 Wirtschaft

ANALYSE

Die Verkehrslawine ist hausgemacht
Nur ein Fünftel des bis 2015 berechneten Anstiegs im Straßengüterverkehr
kommt aus dem Transit

Eric Frey

Die jahrelangen Bemühungen um eine Nachfolgeregelung für den 2003
auslaufenden Transitvertrag, die Verkehrsminister Mathias Reichhold nun mit
einer Vetodrohung gegen die Erweiterung verknüpft, lassen einen zentralen
Aspekt außer Acht: Die kommende Verkehrslawine auf Österreichs Straßen ist
großteils hausgemacht.

Eine für das Verkehrsministerium erstellte Prognose sagt - wie eine Grafik
im Wochenend-STANDARD dargestellt hat - bis zum Jahr 2015 einen Anstieg des
Güterverkehrs auf Österreichs Straßen um 50 Prozent voraus. Der
Transitverkehr soll dabei um 89 Prozent, der Osttransit sogar um 141 Prozent
steigen.

Doch in absoluten Zahlen verliert die Transitproblematik an Brisanz. Transit
macht nur elf Prozent des gesamten Straßengüteraufkommens aus, der Rest
entfällt auf innerstaatlichen Verkehr sowie Einfuhren nach und Ausfuhren aus
Österreich. (Bei gefahrenen Tonnenkilometern ist der Transitanteil mit 20
Prozent etwas höher.) Weil die Basis klein ist, dürften nur 20 Prozent des
erwarteten Anstieges im Güterverkehr durch den Transit verursacht werden und
gar nur acht Prozent durch den Osttransit. 80 Prozent sind die Folge eines
ebenfalls steigenden Lkw-Verkehrs im Dienste österreichischer Unternehmen
und Verbraucher (siehe Grafik unten).

Das Transitproblem ist geografisch konzentriert: In Tirol hat ist der
Transitanteil rund dreimal so hoch wie im übrigen Bundesgebiet. Aber auch im
Inntal sind genügend österreichische Laster unterwegs und tragen lautstark
zur Verkehrsbelastung bei. Und am Widerstand der heimischen Frächterlobby
sind bisher Versuche gescheitert, eine EU-konforme Einschränkung des
Güterverkehrs zu erzielen.

Die Union hat nämlich entgegen der üblichen Antitransitrhetorik nichts gegen
verkehrspolitische Steuerungsmaßnahmen wie Maut und Roadpricing, solange sie
nicht diskriminierend wirken. Aus der Logik des Binnenmarktes ergibt sich,
dass innereuropäischer Verkehr gegenüber dem innerösterreichischen Verkehr
nicht schlechter gestellt werden darf. Als Verkehrsminister Caspar Einem
1998 mit der EU-Kommission eine Lösung für den Brenner aushandelte, bei der
die erhöhte Maut beibehalten, aber die Mautstrecke auf das Unterinntal
verlängert werden würde, brachte die Tiroler Landesregierung diesen
Kompromiss zu Fall, weil dann auch Tiroler verstärkt zur Kasse gebeten
worden wären. Die finanziellen Interessen der Frächter waren ihr wichtiger
als die Belastung der Brenner-Anrainer. Die Folge war, dass der Europäischen
Gerichtshof eine Senkung der Brennermaut erzwang. Seither hat das ständige
Hetzen gegen den europäischen Transit in Tirol - und seit dem blauen
Regierungsbeitritt auch in Wien - bei den Verhandlungspartnern in Europa
deutlich an Glaubwürdigkeit verloren.

Die Ostöffnung hat für die sensiblen Alpenstrecken und den Großteil des
Bundesgebietes keine Bedeutung. Nur acht Prozent des Verkehrswachstums bis
2015 werden vom Osttransit verursacht werden. Wenn nach der Erweiterung auf
manchen ostösterreichischen Strecken ein Verkehrskollaps droht, ist daran
vor allem der mangelhafte Ausbau des Straßennetzes zu den Reformstaaten in
den vergangenen zwölf Jahren schuld.


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