KRISE DER AHS

Die AHS-Oberstufe verliert zunehmend Schüler. Über den Reformbedarf der
Gymnasien diskutierten Elternvertreterin Johannik, Direktorin Schrodt und
Schülervertreter Steiner. Das Gespräch moderierte Martina Salomon.

Nur der Durchschnitt gewinnt

Standard: Ist das heimische Schulwesen so gut, dass man sich ruhig
zurücklehnen kann?

Johannik: Die Unterrichtsinhalte sind gut, aber es wird nicht gut
rübergebracht. Und wenn Kinder neben der Schule noch Nachhilfe brauchen,
dann haben wir ein Problem. Nachhilfe ist eigentlich nicht akzeptabel - noch
dazu im derzeitigen Ausmaß. Wir werden uns da als Elternvertretung ganz
stark machen.

STANDARD: Haben die Lehrer ein Vermittlungsproblem?

Steiner: In vielen Bereichen sind die Lehrpläne besser, als sie unterrichtet
werden - das muss nicht nur am Lehrer, das kann auch an der Klasse liegen.
Die Lehrer sollten ihren Fächeregoismus ablegen und Bildung als
Gesamtkonzept sehen. Vor einer Bildungsoffensive müsste aber eine
Erziehungsoffensive stattfinden. Aus der Pisa-Studie (OECD-Ländervergleich
im Lesen) geht hervor, dass gerade in Österreich das Elternhaus wesentlich
die weitere Schulbildung prägt.

Schrodt: Die Stärke der österreichischen Schule ist gleichzeitig ihre
Schwäche. Wir sind gut in der Förderung des Durchschnitts - aber nicht
darin, gut, schlecht oder einseitig Begabte zu fördern.

STANDARD: Herrscht Chancengleichheit?

Schrodt: Da sind wir ganz schlecht - jedenfalls nicht viel besser als
Deutschland.

STANDARD: Und die Lehrer?

Schrodt: Lehrer und Lehrerinnen - vor allem an den höheren Schulen - haben
eine sehr unzufriedenstellende Ausbildung und zu wenig professionelles
Selbstverständnis. Dass man sich als Berufsgruppe vom Unterrichten her
positiv besetzt begreift, ist bei uns unterentwickelt.

STANDARD: Lehrer und Eltern spielen sich häufig gegenseitig den
Erziehungsball zu. Wer kümmert sich zu wenig?

Steiner: Die Schule hat sicher einen Erziehungsauftrag.
Verhaltensauffälligkeiten behindern den Unterricht. Oft muss erst die
Grundlage für gemeinsames Arbeiten in der Klasse geschaffen werden. In
Deutschland wird mittlerweile kritisiert, dass sich ein Mathematikstudium
nicht von einem Lehramtsstudium Mathematik unterscheidet. Das ist bei uns
ähnlich. Vielleicht sollte man zumindest Anreize für die pädagogische
Lehrerfortbildung setzen.

Schrodt: Wir müssen aufhören, die Eltern für den Schulerfolg ihrer Kinder
verantwortlich zu machen. Der Staat hat einen Bildungsauftrag, der alle erfasst.

STANDARD: Wie ist dem Nachhilfeunwesen beizukommen?

Johannik: Schulen sollten wie Firmen Pläne erstellen, aus denen hervorgeht,
was bis wann erreicht werden muss.

STANDARD: Eine Misere entsteht aber offensichtlich auch, weil Eltern
versuchen, die Kinder in die AHS zu pressen, auch wenn sie dafür nicht
geeignet sind.

Schrodt: Dafür habe ich Verständnis, weil die Matura so wichtig ist.

STANDARD: Soll es eine regelrechte soziale Stunde und außerdem
Förderunterricht nach dem Regelunterricht geben?

Johannik: Der Religionsunterricht ist eine tolle Einrichtung, in dem jeder
lernen könnte, vor dem anderen Respekt zu haben. Wer sich abmeldet, soll
Ethikunterricht bekommen. Das löst aber natürlich nicht alle Probleme.

Schrodt: Religion und Werte-unterricht hat nichts mit Sozial- oder
Konfliktlösungsstunden zu tun. Die hielte ich bis zum Ende der
Pflichtschulzeit für wichtig. Auch Zusatzunterricht am Nachmittag für die
Schwach- und für die Hochbegabten wäre vernünftig.

STANDARD: Die Oberstufenreform ist nicht sehr umfassend ausgefallen. Gibt es
noch Reformbedarf?

Steiner: Ich maturiere gerade - und wurde darin bestätigt, dass es
Reformbedarf gibt. Die Vorbereitung auf die Matura müsste schon in der
siebten Klasse beginnen, der Abschluss sollte nicht auf wenige Tage
konzentriert sein.


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