Was 14-Jährige wissen müssen

Heute ist Tag der Zeugnisverteilung in Ostösterreich. Im nächsten Schuljahr
will Bildungsministerin Elisabeth Gehrer Unterlagen veröffentlichen, aus
denen hervorgeht, welches Wissen 14-jährige Schüler haben müssten. Mit
Gehrer sprach Martina Salomon.

Standard: Zu Schulschluss gibt es eine heftige Debatte über die
Sinnhaftigkeit von Informatik ab der fünften Schulstufe. Ist es notwendig,
dadurch eine Deutschstunde zu verdrängen?

Gehrer: Die Grundlagen der Kulturtechniken müssen ohnehin in der Volksschule
gelegt werden. Faktum ist außerdem, dass wir in Österreich viel mehr
Unterrichtsstunden haben als in allen anderen vergleichbaren Ländern (siehe
Wissen).

STANDARD: Sollte es da nicht besser eine Arbeitszeitverkürzung für Schüler
geben?

Gehrer: Von einer Stundentafelkürzung halte ich nichts. Ich will neue
Erfordernisse wie verstärkte Kommunikation und Problemlösung innerhalb der
Stundentafel unterbringen. Dafür muss man aber einen gewissen Fächeregoismus
zurückdrängen.

STANDARD: Immer wieder wird kritisiert, dass der Unterrichtsstoff - vor
allem in den Gymnasien - schlecht vermittelt wird.

Gehrer: An den AHS müssen Methodik und Didaktik verbessert werden. Das ist
Aufgabe der Unis, in den neuen Studienplänen ist es drinnen.

STANDARD: Muss man aufhören, Eltern für den Schulerfolg ihrer Kinder
verantwortlich zu machen?

Gehrer: Stimmt. Dann muss man aber auch aufhören, von jedem Kind zu
verlangen, dass es maturiert.

STANDARD: Der Nachhilfemarkt boomt. Wird zu viel vom Schulwesen ausgelagert?

Gehrer: Wenn Kinder zwischenzeitlich ein Defizit haben, dann finde ich es
gut, wenn das mit ihnen aufgeholt wird. Schlecht ist, wenn ein junger Mensch
mit jahrelanger Nachhilfe durch eine Schule durchgequält wird.

STANDARD: Die Schulstatistik zeigt, dass man zwar in die AHS-Unterstufe
drängt. Aber zwischen vierter und fünfter Klasse verabschieden sich 40
Prozent der Schüler - meist Richtung BHS. Ist das nicht ein Zeichen von
Unzufriedenheit?

Gehrer: Wir müssen den Eltern für die Nahtstellen im Schulwesen noch mehr
Hilfen in die Hand geben. Die Hauptschulen - das ist mir wichtig - sind gut:
mit Schwerpunkten von Musik bis zur Technik. Danach kann man weiterführende
Schulen besuchen. Das Gymnasium muss seine Identität neu suchen und die gute
Allgemeinbildung in den Vordergrund stellen.

STANDARD: Müssen dafür Standards definiert werden?

Gehrer: Ich habe von Experten Leistungsstandards für die achte Schulstufe in
Deutsch, Mathematik und in Fremdsprachen erarbeiten lassen. Mir schwebt vor,
dass sich die Eltern bald ein kleines Büchlein kaufen können, wo das alles
drinsteht und sie sich orientieren können, ob ihre Kinder den Standard
erreicht haben oder nicht. Das gibt's in anderen Ländern schon. Diese Woche
wird es den Landesschulratspräsidenten vorgelegt, im Herbst den Lehrern.
Nach dem Wintersemester wird es auch den Eltern zur Verfügung stehen.

STANDARD: Die AHS-Elternvertretung berichtet, dass es im abgelaufenen
Schuljahr besonders viele ausgefallene Unterrichtsstunden gegeben hat, die
nicht suppliert wurden.

Gehrer: Das stört mich sehr. Wir sind bestrebt, die Fortbildungsangebote in
der unterrichtsfreien, jedoch Dienstzeit anzubieten: an Nachmittagen,
Wochenenden, zu Beginn und zu Ende der Ferien. Ich möchte auch daran
erinnern, dass die schulautonomen Tage vor allem dazu gedacht waren,
gemeinsame Fortbildungsangebote - und nicht neue Ferien - zu machen.

STANDARD: Sind neun Wochen Sommerferien zu lang?

Gehrer: Die Elternvereine haben auf Anfrage keinen Änderungsbedarf
signalisiert. Eingefahrene Gewohnheiten sind eben schwer zu ändern. An den
berufsbildenden Schulen gibt es außerdem Praktikumszeiten in der Ferienzeit.
Mit unseren Sommerferien liegen wir europaweit in der Mitte, und kein
Psychologe kann uns sagen, ob lange Ferien oder kürzere Unterbrechungen
besser sind. Gut wäre aber, wenn die Schulgebäude in den Ferien anderweitig
genutzt würden. Morgen:
Einspruch gegen den "Fleck"

© DER STANDARD, 28. Juni 2002

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