SPIEGEL ONLINE - 28. Juni 2002, 15:25
URL: http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,203102,00.html

Pisa
Statistik-Guru hält die Studie für Pfusch

Von Markus Deggerich

Die Pisa-Studie hat ergeben: In Deutschland herrscht der Bildungsnotstand. Mehr Geld, bessere Lehrer, ein anderes Schulsystem lauten die plakativen Patentrezepte, um die vermeintliche Misere zu beheben. "Alles Quatsch", sagt der Statistik-Guru Lorenz Borsche. Statistische Fehler bei der Pisa- Auswertung hätten zu völllig verzerrten Ergebnissen geführt. Die Forscher halten die Vorwürfe für lächerlich.

Berlin - Das Gezeter war so groß wie das Triumphgeheul. Nachdem schon die internationale Pisa-Studie Deutschland vor einigen Monaten auf einen schmählichen 21. Platz unter den OECD-Ländern sah, warteten Bildungs- politiker nervös auf die nationale Leistungsschau im Bundesländervergleich. Kaum sickerten erste Ergebnisse durch, jubelten die Ministerpräsidenten aus dem Süden der Republik: Pisa-E habe eindeutig bewiesen, dass unionsgeführte Länder die bessere Schulpolitik betreiben. Fast ebenso schnell verkündeten Ministerpräsidenten aus sozialdemokratisch regierten Ländern neue Wege, auch die Bundesbildungsministerin verlangt nun einheitliche Standards, regelmäßige Leistungsvergleiche und nicht weniger als eine "nationale Anstrengung".

Unfähigkeit oder Absicht?
"Alles Quatsch", behauptet hingegen Lorenz Borsche, der als Geschäftsführer einer Genossenschaft von 140 mittelständischen Buchhandlungen täglich mit Statistiken und großen Zahlenwerken zu tun hat und in der Buchbranche als Statistik-Guru bekannt ist. Er sieht in dem Anteil der geprüften Schüler mit Migrationshintergrund und ihre soziale Stellung den dominierenden, fast ausschließlichen Faktor, der die Ergebnisse beeinflusst. Und Borsche geht noch weiter: "Das eigentliche Fiasko an der Studie sind die Pisa-Forscher selbst, die ihre eigenen Zahlen nicht lesen können - oder wollen. Die Pisa-Studie ist voll von seltsamen Tabellen, die das unterschiedliche Abschneiden der Länder erklären sollen, und die beste davon erklärt gerade mal 13 Prozent. Aber den einen entscheidenden Faktor, der die Ergebnisse mit einer Treffsicherheit von 85 Prozent voraussagen kann, den nennen sie nicht beim Namen, diese Statistik führen sie nicht aus. Das ist entweder totale Unfähigkeit oder Absicht."

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