Eine gute Schule ist reiner Luxus

SN 06 07 02

DER STANDPUNKT

JOSEF BRUCKMOSER

Die österreichische Schule ist besser als ihr Ruf. Das haben alle internationalen Vergleiche der jüngsten Zeit bewiesen. Wir sind nicht bei den Besten, nicht bei den Ausgezeichneten, aber zum Ferienbeginn darf sich die Schule durchaus über ein gutes Gut freuen.

Ein Grund dafür ist die weitgehende Differenzierung des österreichischen Schulwesens. Kaum möglich, dass ein Kind oder ein Jugendlicher in dem vielfältigen Bukett von Schultypen und Schwerpunktschulen nichts Passendes findet. Das setzt sich im Inneren der Schule fort: von den Förderkursen für die, die eine besondere Hilfe beim Lernen brauchen, bis hin zur Förderung von Begabungen, die brach liegen, wenn sie niemand pflegt.

Genau da ist aber Gefahr in Verzug. Schon im kommenden Herbst muss neuerlich bei den Unterrichtseinheiten gespart werden. Unverbindliche Übungen werden gestrichen, gro-ße Klassen können im Sprachenunterricht nicht mehr geteilt werden, beliebte Schulversuche werden gekürzt, Schwerpunktprojekte, in die kleine Gruppen von Schülern ihren ganzen Eifer investieren, finden nicht mehr statt.

Der österreichischen Schule droht eine Reduzierung auf das Mindestmaß, eine Beschränkung auf den Pflichtenkatalog. Jahr für Jahr fällt immer mehr von der Kür weg, die den Spaßfaktor und die Qualität der Schule ausmacht. Da gibt es einen Schulversuch mit englischsprachigen Lehrern an der Volksschule, der Kinder, Eltern und Lehrer gleicherma-ßen begeistert - jetzt müssen sie erfahren, dass das Geld nicht mehr reicht. Da unterrichten eine Sonderpädagogin und eine Pflichtschullehrerin hoch begabte, durchschnittlich interessierte, lernbehinderte und schwerstbehinderte Kinder gemeinsam in einer Integrationsklasse - im Herbst müssen sie befürchten, dass stundenweise eine Lehrerin allein mit dieser Klasse zurechtkommen soll.

Solche Einsparungen erfolgen scheibchenweise, aber das seit Jahren. In absehbarer Zeit wird die Grundidee der Integrationsklassen mit zwei Lehrerinnen nur mehr Makulatur sein. Die Erfolgserlebnisse für Kinder, Eltern und Lehrer werden in Frustration münden.

Es macht die Qualität der österreichischen Schule aus, dass sie sich viel leistet. Diese Sonderleistungen führen zu vergleichsweise guten Ergebnissen. Unter dem Sparzwang werden sie zunehmend als Luxus betrachtet. Tatsächlich sind die vielen, auf einzelne Kinder abgestimmen Förderkurse ein Luxus der österreichischen Schule. Diese hohe Investition in Kinder und Jugendliche macht sich aber langfristig sicher bezahlt. Je mehr die Schule Fehlentwicklungen von jungen Menschen rechtzeitig gegensteuern kann, desto mehr erspart sich der Staat später an Kosten für Therapien oder im schlimmsten Fall für den Strafvollzug.

Leisten wir uns den Luxus der ausgezeichneten österreichischen Schule.





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