So wie momentan herrschte auch im Vorjahr Tote Hose im LF in den Ferien.
Unterbrochen wurde das durch eine lebhafte Diskussion über die Ereignisse
beim G-8 Gipfel in Genua.

Hierzu zwei Nachträge:

1. Vorschau auf einen Fernsehbeitrag (Dauer 45 Minuten: Mittwoch 24. Juli ARD 23.30: "Gipfelstürmer - Die blutigen Tage von Genua"

Meine Fernseh-Zeitung kündigt das so an:
"Im Juli 2001 trafen sich die Regierungschefs der Industrienationen in Genua
zum G-8 Gipfel. Rund 300.000 Menschen demonstrierten gegen die
Globalisierung. Ihnen gegenüber standen 20.000 hochgerüstete Polizisten, die
oft brutal gegen friedliche Protestierer vorgingen. Dagegen wurden die
wirklich Radikalen verschont: Verwüstete der "schwarze Block" die Stadt gar
mit Duldung der Polizei? Erschütternde Chronik eines Politskandals von
Michael Busse, Marie-Rose Bobbi."



2. STANDARD 22. Juli Seite 4:

"Wir fordern die ganze Wahrheit"
Ein Jahr nach den Gewaltexzessen von Genua sind die meisten Fragen offen

Gerhard Mumelter

Genua/Rom - Um 17.27 Uhr heulen im Hafen von Genua die Sirenen. Unzählige
Luftballons steigen in den Himmel, Zehntausende legen sich auf den Asphalt.
Für Minuten herrscht Stille. Dann brandet endloser Applaus auf. Er gilt dem
Studenten Carlo Giuliani, der vor einem Jahr hier von Polizisten erschossen
wurde. Bilder von brennenden Autos und Geschäften, randalierenden
Demonstranten und knüppelnden Polizisten schockierten damals die Welt.

Ein Jahr später ist die Stimmung in Genua friedlich. Mehr als 100.000 (nach
Aussagen der Veranstalter 200.000) jugendliche Globalisierungskritiker sind
gekommen. Viele tragen den Abschiedsgruß auf ihren T-Shirts: Ciao, Carlo. In
einem Meer von Blumen und Luftballons ist das Gedränge auf der Piazza
Alimonda beängstigend. Die Eltern und die Schwester von Carlo Giuliani haben
dazu aufgerufen, den Gedenktag nicht durch Gewalt zu trüben. Jetzt sitzen
sie inmitten unzähliger Fotos ihres Sohnes, schütteln Hände und nehmen
Blumen entgegen.

Sergio Cofferati, der Chef der größten Gewerkschaft CGIL, wird mit Applaus
empfangen. Luciano Violante, Fraktionschef der oppositionellen
Linksdemokraten in der Abgeordnetenkammer, wird gnadenlos ausgepfiffen. "Wo
warst du vor einem Jahr?", fragen ihn erregte Demonstranten. "Wir haben
einen Fehler begangen, und dafür müssen wir bezahlen", gesteht Violante.

Auch die Polizei hat dazugelernt: Sie erscheint ohne Nahkampfausrüstung und
Tränengas und begleitet die Demonstranten mit auffälliger Zurückhaltung in
kleinen Gruppen. In Sprechchören fordern die Jugendlichen Aufklärung über
die Ereignisse beim Weltwirtschaftsgipfel.

Denn ein Jahr danach sind die meisten Fragen weiter unbeantwortet. 41
Geschäfte, 34 Bankfilialen, neun Büros und 83 Autos wurden demoliert, 108
Polizisten, 224 Demonstranten und zehn Journalisten verletzt. Kein einziger
Verantwortlicher wurde bisher zur Rechenschaft gezogen. Die drei abgesetzten
Polizeifunktionäre bekleiden nach wie vor hohe Posten.

Ungeklärt ist, wer den blutigen Angriff der Polizei auf die Diaz-Kaserne
anordnete und wer für die verfehlte Strategie gegen die gewalttätigen "Black
Block"-Randalierer verantwortlich war. Die Polizei musste zuletzt zugeben,
die angeblich bei Demonstranten beschlagnahmten Molotow-Cocktails selbst
hergestellt zu haben.

Der Polizist Mario Placanica, dem der Tod von Carlo Giuliani zur Last gelegt
wird, änderte am Samstag seine Version. Er habe in die Luft geschossen. Man
benütze ihn, um die Verantwortung anderer zu decken. Seit einem Jahr
ermitteln die Staatsanwälte gegen 465 Demonstranten und 117 Polizeibeamte.
"Wir fordern die ganze Wahrheit", sagt Carlo Giulianis Vater vor den
Fernsehkameras. Immer mehr Italiener zweifeln, ob es jemals dazu kommen wird.

© DER STANDARD, 22. Juli 2002

--
Diese Liste wird vom Computer Communications Club (http://www.ccc.or.at) betrieben. Um sich aus der Liste austragen zu lassen, senden Sie ein e-mail an majordomo@ccc.at mit dem Befehl "unsubscribe lehrerforum" im Nachrichtentext.