Lieber Koll. Zwickl,

- es ist nicht so, wie Sie vermuten !

Wollen wir doch bitte diesen Kindergarten des parteipolitischen Denkens verlassen. Es gibt nicht eine Zahl, ab dieser Größe X ist eine Meinung ernst zu nehmen, darunter nicht. Der Respekt bietet es, jede ehrliche Meinung eines anderen Menschen ernst zu nehmen. Auch, ja gerade Minderheiten- meinungen. Wir sind dauernd Minderheit. Mehrheiten bilden sich langsam und mühsam. Wer im Denken seiner Zeit voraus ist, ist fast immer Einzelgänger, wird nur von wenigen Leuten richtig verstanden. Erst wenn die Zeit dafür reif ist, dann findet sich dafür eine Mehrheit.

Man kann auch Opposition in einer Regierungspartei sein. In der Kreisky-Zeit war ich schon der Meinung, dass die Einführung des Zivildienstes nur eine "halbe Sache" ist, richtiger wäre die Abschaffung der Wehrpflicht überhaupt. Heute ist das in vielen europäischen Ländern schon Realität. In anderen wird darüber ernsthaft nachgedacht. Die Entwicklung geht zweifellos dorthin.

Politik braucht Gesinnung und Grundsätze. Das sind Orientierungspunkte, wo Menschen ihren Platz in der Politik und in der Gesellschaft finden können. Von Grundsätzen wird sich eine regierende Partei nicht durch noch so große Zustimmung zu einem VB abbringen lassen.

Wenn Poltik allerdings Meinungen auch kleiner Gruppen ignoriert, so ist es richtig und gut so, wenn sich diese Gesinnungsgemeinschaften zusammen schließen und mit um Wählerstimmen bei Wahlen ringen. Das Ignorieren von Meinungen führt zu Parteigründungen. Weil bestehende Parteien das vermeiden möchten, werden Sie Äußerungen direkter Demokratie entsprechend ernst nehmen.

Abschließend nochmals Konferenzzentrum: hier lag ein Missbrauch der direkten Demokratie vor, weil die VP einzig und allein ihre Mobilisierungs- Fähigkeit testen wollte (und dies auch bekannte).

Wir können feststellen: heutzutage halten sich Parteisekretariate bei der Unterstützung von VB zurück Natürlich haben Parteimitglieder eine Meinung, etwa die, dass dieses oder jenes VB unterstützenswert ist, daher findet eine Selbstorganisation der Mitglieder statt, ein Weitersagen: "Hast du auch schon unterschrieben?" - Das ist im Sinne direkter Demokratie ...

Und glauben Sie mir: Beim Abfangjäger-VB wäre es mir bedeutend lieber, wenn die Initiatoren eine Gruppe glaubwürdiger Antimilitaristen wäre, und nicht so eine Figur (siehe "teletext"), die Haider in Sachen Populismus rechts überholen möchte.

Freundliche Grüße
Günter Wittek


----- Original Message -----
From: Josef Zwickl
To: Günter Wittek ; Lehrerforum
Sent: Saturday, August 03, 2002 4:51 PM
Subject: LF: Re: Re: Re: Volksbegehren vs. Volksabstimmung


Lieber Kollege Wittek
Die Differenz unserer Betrachtungsweisen von Volksbegehren scheint folgende zu sein: Ist das Volk grundsätzlich in der Lage, Zusammenhänge a.la Konferenzzentrum oder Abfangjäger zu verstehen? Wenn dem so ist, müsste ein VB mit 1,3 Mio Unterschriften noch ernster genommen werden als eines mit 500.000 Unterzeichnern. Kreisky mag aus seiner Sicht richtig gehandelt haben, er hat jedoch signalisiert, dass man selbst so ein starkes Votum nicht ernst zu nehmen braucht. Man sollte bei all diesen Betrachtungen schon bei einer Linie bleiben. Entweder man erwartet sich von den Volksvertretern, dass sie -egal wie ein VB ausgeht- der Sache entsprechend abstimmen, oder man erwartet von ihnen, dass sie VB wirklich ernst nehmen und auch gegen besseren Wissens abstimmen. Beides geht ja bekanntlich nicht. Sie Herr Kollege wollen offenkundig, dass das eine VB - weil Sie es persönlich nicht unterstützen - von den Parlamentariern ignoriert wird, ein anderes jedoch - weil Sie es auch persönlich unterstützen - die Abstimmung im Parlament beeinflusst. Anders sind Ihre Verteidigung von Kreiskys Entscheidung einerseits und die Erwartung in die jüngeren VB nicht zu erklären. Oder vielleicht doch. Ich bin gespannt. Die Unvereinbarkeit dieser Standpunkte habe ich Ihnen jetzt klar gemacht. Schöne Grüße Josef Zwickl.

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