Aus dem heutigen STANDARD:
Wirbel um Haupts Sex-Broschüre
Sweet Love mit bitterem Beigeschmack: Als "Wissenswertes über biologische
Facts" und "Hinweise auf kompetente Beratungsangebote" preist das
Ministerium von Sozialminister Herbert Haupt seine neue Aufklärungsschrift
an. Elternorganisationen protestieren - auch die freiheitlichen.
Martina Salomon
Wien - Um "Love, Sex und so . . ." geht es in der gleichnamigen
Aufklärungsbroschüre des Sozialministeriums. Sie richtet sich an Jugendliche
ab zwölf und hat den Zorn konservativer Elternverbände auf sich gezogen, die
geharnischte Beschwerdebriefe verfasst haben. Unter anderem hat der Chef des
freiheitlichen Elternverbandes, Herbert Vonach im Ministerbüro seines
Parteikollegen und "Jugendministers" Herbert Haupt "Bedenken angemeldet".
Und das ist die Kritik, die auch vom ÖVP-nahen Familienbund sowie dem
"Institut für Ehe und Familie" der Bischofkonferenz kommt: Sexualerziehung
sei Elternrecht, in der Broschüre kämen Eltern nur als "Spaßverhinderer"
vor. Ohnehin wären die Verbände gerne vor Drucklegung des Hefts beigezogen
worden.
Insgesamt gehe die Broschüre von einem "aggressiv-hedonistischen Weltbild"
aus. Außerdem sei die Sprache billig, sozusagen "Bravo-Niveau", ergänzt die
Familienbund-Geschäftsführerin Alice Pitzinger in einem STANDARD-Gespräch.
Fokus auf Initiativen von Homosexuellen
Pitzinger kritisiert, dass im Heft überproportional häufig auf
Homosexuellen-Initiativen sowie auf Stellen, die auch Abtreibungen
vermitteln, verwiesen werde, hingegen beispielsweise die "Aktion Leben" mit
keinem Wort vorkomme. Abtreibung werde verharmlost, Schwangerschaft
lediglich als beseitigbarer Problemfall dargestellt, finden die Kritiker
unisono.
"Keine Panik. Schwanger?" lautet der Titel des zugehörigen Kapitels.
Allerdings heißt es in dieser Passage auch: "Mit großer Sicherheit werden
dich auch deine Eltern unterstützen, auch wenn dir das im ersten Moment
unvorstellbar erscheint."
Pitzinger ist auch über jene Passage empört, in der es im Kapitel "Sex" auf
einer rot unterlegten Seite heißt: "Sind beide unter 14 Jahren, sind
sexuelle Kontakte zwar verboten, können aber nicht bestraft werden, weil sie
noch nicht strafmündig sind."
Die zuständige Sektionschefin im Sozialressort, Henriette Naber, merkt
allerdings an, dass man die jugendlichen Leser genau auf dieser Seite auf
individuelle Regeln des Elternhauses aufmerksam mache. Naber verteidigt das
Heftchen, das - beispielsweise von Schulen - kostenlos angefordert werden
kann: "Ich würde mir ja selber eine heile Welt wünschen, in der Eltern über
alles mit ihren Kindern reden und solche Broschüren nicht notwendig sind."
Doch als frühere Kinder- und Jugendlichenanwältin wisse sie Bescheid über
die vielen unbeantworteten Fragen Jugendlicher. Dass Schwangerschaft als
Problemfall dargestellt wird, findet sie in Ordnung: Schließlich handle es
sich bei der Zielgruppe "nicht um Militärbischöfe, sondern um Zwölf- bis
16-Jährige". Über die negativen Reaktionen sei sie "vollkommen baff"
gewesen. Die Vorgängerbroschüre mit dem Titel "Luftballons im Bauch" habe
wesentlich weniger Kritik erzeugt.
Brigitte Cizek, eine der Autorinnen und Chefin des als bürgerlich geltenden
Instituts für Familienforschung, kommt sich angesichts der Kritik "wie in
der Steinzeit" vor. Sie verteidigt die gewählte Sprache: "Wir müssen die
Jugendlichen dort abholen, wo sie sind. Und dafür haben wir oft Stunden an
nur einem einzigen Satz gefeilt." Den moralischen Zeigefinger würden
Jugendliche wohl einfach nur "kotzig" finden.
Statt Protestnoten gegen Aufklärungsbroschüren zu verfassen, sollten sich
die Familienverbände lieber aktiv darum kümmern, dass sich Eltern mehr an
Projekten zur Sexualerziehung an den Schulen beteiligten, sagt Cizek: "Bei
diesem Thema sitzen dann oft nur vier Eltern einer vierten Klasse
Hauptschule da."
Ein gedrucktes Exemplar kann unter broschuerenservice@bmsg.gv.at bestellt werden.
© DER STANDARD, 19. August 2002
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