DER STANDARD
Mittwoch, 11. September 2002, Seite 11
Freispruch statt neun Jahre Haft

Anonymer Kronzeuge der "Operation Spring" widerrief Aussage

Wien - Er galt als führendes Mitglied jener Drogenbande, die im Mai 1999 im Rahmen der Polizeiaktion "Operation Spring" zerschlagen worden war: Emmanuel C. - im Mai 2001 wurde der Nigerianer zu neun Jahren Haft verurteilt, weil er mehrere Kilo Heroin und Kokain in Verkehr gebracht haben soll. Der Richter nannte ihn damals einen "Massenmörder unserer Jugend". Nun ist alles anders: Vor kurzem wurde Emmanuel C. im zweiten Rechtsgang am Wiener Landesgericht freigesprochen. Emmanuel C. war vor allem von einem selbst verdächtigen Schwarzafrikaner, der nach seiner Festnahme mit den Behörden kooperierte und als anonymisierter Zeuge ("AZ 3000") auftrat, belastet worden. In der nunmehrigen Verhandlung fiel AZ 3000 jedoch laut Verteidiger Lennart Binder als Belastungszeuge um. Binder hatte herausgefunden, dass der Zeuge in einem Gericht außerhalb von Wien "einsitzt" und auf Verheimlichung seiner Identität keinen Wert mehr legt. "Er hat seine Angaben zurückgezogen. Er hat gesagt, der Deal, den er eingegangen sei, habe nicht so funktioniert, wie er es sich vorgestellt hat. Deshalb fühle er sich nicht mehr an seine Abmachungen mit der Polizei gebunden", so der Anwalt. Trotz des Freispruchs bleibt Emmanuel C. weiter in Haft. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Entscheidung des Schöffensenats Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet. Bei der Staatsanwaltschaft ist man überzeugt, dass der Freispruch in der Rechtsmittelinstanz "repariert" werde. Ein rechtskräftiger Freispruch könnte weitreichende Folgen für die gerichtliche Aufarbeitung der "Operation Spring" haben. Der anonyme Zeuge hat in mehreren Fällen Angeklagte belastet. Insgesamt wurden in der Causa 118 Personen angeklagt, ein Großteil davon bisher zu insgesamt 450 Jahren Haft verurteilt. In einem Fall sind die Vorwürfe der Behörden längst zerbröselt. Der von der Polizei ursprünglich als Big Boss verhaftete Schriftsteller Charles Ofoedu hatte mit Drogen überhaupt nichts am Hut. Sondern, wie das Gericht feststellte, lediglich in gutem Glauben zwei Überweisungen für andere Nigerianer durchgeführt. Was ihm eine Verurteilung wegen Geldwäsche einbrachte. Ofoedu ist mittlerweile Mitglied im österreichischen P.E.N.-Club. (APA, simo)


Frage E.W.: Was soll das heißen: "Der Deal, den er eingegangen sei, habe nicht so funktioniert, wie er es sich vorgestellt hat. Deshalb fühle er sich nicht mehr an seine Abmachungen mit der Polizei gebunden."?
Seit wann haben wir ein amerikanisches Rechtssystem, wo bereits vor der Verhandlung das Urteil ausgeschnapst wird?

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