Lieber Timo,
liebe MitleserInnen
ich nehme an, dass wir - bevor wir mit derartigen Werken in die Klassenzimmer gehen - sollten wir uns besser selber das nötige Rüstzeug zulegen, um über Gewalt und Gewaltbereitschaft einiges zu wissen.
Ein guter Einstieg für die philosophische Diskussion sind meines Erachtens Adornos "Studien zum autoritären Charakter". Doch damit allein finden wir nicht mehr das Auslangen. Es ist bezeichnend, dass gerade ein deutlicher Widerpart, nämlich Peter Sloterdijk, in seinen "Regeln für den Menschenpark" angeben kann, wo der Kampf gegen strukturelle Gewalt entschieden werden
kann:
"So wie in der Antike das Buch den Kampf gegen die Theater verlor, so könnte heute die Schule den Kampf gegen die indirekten Bildungsgewalten, TV etc. verlieren, wenn nicht eine neue Kultivierungsstruktur entsteht. [...] Daß die Domestikation des Menschen das große Ungedachte ist, vor dem der Humanismus von der Antike bis in die Gegenwart die Augen abwandte - dies einzusehen genügt, um in tiefes Wasser zu geraten. Wo wir nicht mehr stehen können, dort steigt uns die Evidenz über den Kopf, daß es mit der erzieherischen Zähmung und Befreundung des Menschen mit den Buchstaben allein zu keiner Zeit getan sein konnte." "Aus Zarathustras Perspektive sind die Menschen der Gegenwart vor allem eines: erfolgreiche Züchter, die es vermocht haben, aus dem wilden Menschen den letzten Menschen zu machen. Es versteht sich von selbst, daß dergleichen nicht nur mit humanistischen, zähmend-abrichtend erzieherischen Mitteln geschehen konnte. Mit der These vom Menschen als Züchter des Menschen wird der humanistische Horizont gesprengt, sofern der Humanismus niemals weiter denken kann und darf als bis zur Zähmungs- und Erziehungsfrage:"
Es stellt sich in Anschluss an Sloterdijk für mich die Frage, ob man Eremit sein muss, um solche Fragen zu erkennen und bewerten zu können. Ich brauche einfach den Abstand von der Schulwirklichkeit, um allein über diese Fragen nachdenken und meditieren zu können. Der wilde, der ursprüngliche-kreative Mensch geht unter und es erfasst mich mit Unbehagen, wenn ich all den Fortschrittsglauben, den wir uns selber eingeimpft haben, weitertragen soll. Am stärksten spüre ich das Gefühl des Unbehagens, obwohl ich sicher nicht technologiefeindlich eingestellt bin, in einem Informatikraum, weil mir aus diesem Blechkasten der völlig nekrophile Charakter unserer Gesellschaft entgegenstrahlt. Ist das nur mein subjektives Empfinden? Oder bin ich doch schon wieder bei denen, die die Kritik unserer Zivilisierungsstrukturen auf ihre Fahnen geheftet haben?
Freundliche Grüße
Günter Wittek
----- Original Message -----
From: Timo Davogg
To: Lehrerforum
Sent: Thursday, September 19, 2002 11:22 PM
Subject: LF: Rhein. Merkur: M. Ruhe "Ich knall euch ab!"
Rheinischer Merkur 19 09 02
http://www.merkur.de/aktuell/mp/bi_023801.html
GEWALT AN SCHULEN / Bopparder Gymnasiasten diskutieren über Morton Rhues neuen Jugendroman "Ich knall euch ab!"
[ .....] Mit eurem Verhalten habt ihr mich davon überzeugt, dass
ich Recht hatte."
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