2002-09-19 10:45
schöne neue schulwelt
GATS - ein Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, wird neu verhandelt


Bildungssprecherin Susanne Jerusalem

BASISINFORMATIONEN ÜBER GATS

GATS: General Agreement on Trade in Services = Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen.

GATS ist ein Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, das derzeit neu verhandelt wird. Es ist eine der Säulen der 1995 gegründeten Welthandelsorganisation (WTO), der 142 Mitgliedsstaaten angehören. Der GATS-Vertrag stellt ausländische und inländische Anbieter gleich. Derzeit wird über eine Erweiterung der Liberalisierung des Dienstleistungssektors verhandelt. Die Verhandlungen sind geheim und unterliegen keiner parlamentarischen Kontrolle, so verhandeln für Österreich Unterhändlern der EU mit der WTO. Die Verpflichtungen sind de facto irreversibel.

GATS hat Folgen
Staaten, Länder und Gemeinden könnten nur sehr eingeschränkt soziale oder ökologische Gesetze bzw. Vorschriften erlassen, denn diese würden als Handelshindernisse von den betroffenen Konzernen beim Schiedsgericht der WTO angefochten werden können.

GATS stellt das kommerzielle Interesse der Konzerne über die sozialen und ökologischen Interessen der Bevölkerung. Deregulierung und Liberalisierung, zwei Begriffe mit denen gemeinhin Freiheit assoziiert werden, würden in Wahrheit die Freiheit der BürgerInnen und die Gestaltungsmöglichkeiten der Politik drastisch reduzieren. Die Freiheit der Konzerne hingegen wäre tatsächlich sehr groß.


FAZIT: GATS IST EIN DIREKTER ANGRIFF AUF DEMOKRATIE, SOZIALES UND ÖKOLOGIE

Ist der öffentliche Dienst (public services) in Gefahr? "Ja" sagen KritikerInnen übereinstimmend. "Nein" sagt die WTO.

Unter "öffentlichen Diensten" versteht man Grundversorgungsbereiche wie Kranken- und Pensionsversicherung, Bildung, öffentlicher Verkehr, Wasserversorgung, Strom, Müllversorgung, Telefon und Post.

Tatsächlich sieht der GATS-Vertrag keine generelle Ausnahme für den öffentlichen Dienst vor. Nur wenn ein öffentlicher Dienst als hoheitlich eingestuft wird, das heißt nicht im Wettbewerb mit anderen AnbieterInnen steht oder nicht auf kommerzieller Basis erbracht wird, gilt eine Ausnahme.

In einem gemischten System, wie es in Österreich existiert, wo es kein Staatsmonopol auf Bildung gibt, gelten die Freihandelsregelungen. Betroffen sind Kindergärten, Schulen, Hochschulen und die Erwachsenenbildung. Bildung gehört in Österreich eindeutig zu den frei zu handelnden Dienstleistungen.


NEU IST: Die GATS-Spielregeln, werden derzeit wieder verhandelt. Die Ausnahmegenehmigung, dass die Staaten der EU wie bisher selektiv dem inländischen Regelschulsystem staatliche Subventionen zukommen lassen können, soll fallen. Die volle Gleichstellung ausländischer Anbieter ab 2005 würde bedeuten, dass diese auf gleichwertige Subventionsvergabe klagen könnten.

GATS könnte Schule schon bald zur boomenden Branche machen.

ZUKUNFT:
Schöne Neue Schule

Der Handel mit der Ware Bildung kann daher schon bald äußerst lukrativ werden, denn der Markt wird weltweit auf 2 Billionen US-Dollar jährlich geschätzt. Neben hohen Gewinnen, eröffnet der neue Markt ungeahnte Möglichkeiten:

1. Die Produktion konformer Arbeitskräfte. Ganz gezielt kann in der selbstverständlich hochpreisigen Luxusklasse die Elite geformt werden, während in der Billigkategorie für die Produktion billiger Arbeitskräfte gesorgt werden kann. Dazwischen strampelt der Mittelstand um eine gute Bildung für seine Kinder zu halbwegs erschwinglichen Preisen.

2. Der neue "geheime" Lehrplan heißt Erziehung zum Konsumenten, dafür sorgen die Sponsoren.


Die GATS-Regeln am Bespiel Schule:

So kann die Zukunft aussehen:
Pro SchülerIn erhält jede Volksschule jedes Trägers monatlich einen Zuschuss in der Höhe von 700 EURO.

- Für die öffentliche Regelschule im Pflichtschulbereich hieße das 700 EURO und sonst nichts. Die Klassenschülerzahl läge bei etwa 30 SchülerInnen.

- Eltern, die sich ein Schulgeld von 350 Euro leisten könnten, würden bereits ein wesentlich hochklassigeres Produkt um insgesamt monatlich 1050 EURO kaufen können. Diese Schule könnte sich eine SchülerInnenzahl von 20 Kindern pro Klasse leisten und dazu einige Zusatzangebote im Bereich Sprachen, EDV, Kreativität, Musik und Tanz.

- Eltern, die 700 EURO drauflegen können, steigen in die Luxusklasse extracooler Lernateliers auf, wo individuell, kreativ und auf Karriere orientiert gearbeitet wird.

Die Konsequenzen:

- Nur wer sich gar nichts leisten kann oder will (einkommensschwache Eltern, Bildungsdesinteressierte, MigrantInnen, AlleinerzieherInnen), bleibt bei der Regelschule, die zur "Restschule" zwecks Produktion von Billiglohnkräften wirft. Der Mittelstand leistet sich je nach Einkommen und Kinderzahl Schulen, die zwischen 200 und 500 Euro Schulgeld kosten, daneben entwickelt sich eine Luxusklasse die von klein auf zur Elite heranzieht.

- Nachdem eine große Anzahl von SchülerInnen in den Privatschulbereich abwandern würde, müssten die LehrerInnen mitwandern. Die Konkurrenz unter den Bildungsanbietern wäre ein Match vergleichbar mit Billa contra Spar. Um die Preise senken zu können, müssten Kosten gesenkt werden und das wiederum kann nur über Einsparungen bei den Gehältern funktionieren. Lohndumping, Preisdumping, Billigangebote und Qualitätseinbußen würden sehr bald den Markt kennzeichnen. Daneben würden kleine Spezialeinrichtungen versuchen sozusagen als Biogreissler des Bildungssystems, mit Nischenprogrammen zu reüssieren.

- Schon seit langem sind die Wirtschaftstreibenden mit den staatlichen Unis unzufrieden. Auf den Punkt gebracht, lautet der Vorwurf: "Die Uni liefert nicht das, was der Unternehmer braucht." Dass Konzernchefs eigene Universitäten planen, ist kein großes Geheimnis mehr. Nur AbsolventInnen der Privathochschulen der Trägerkonzerne werden eine Chance auf Karriere haben. Voraussetzung: Aufnahmeprüfung und sehr hohe Studiengebühren. Es versteht sich von selbst, dass nur der vorherige Besuch spezialisierter Privatschulen zum Bestehen der Aufnahmsprüfung führt.

- Die großen Bildungsexportländer USA, Australien und Neuseeland planen groß in den Markt für Evaluationen einzusteigen. Ziel ist aber nicht nur die Evaluation von Schulen, sondern vor allem auch das Bestimmen der Standards. Nicht die Parlamente oder die Schulpartner werden die bildungspolitischen Schwerpunkte setzen sondern am Gewinn orientierte Markt-Monopolisten.

- Das auf Karriere und Erfolgschancen gestylte Kind wird vom Kindergarten über die Schule bis zur Universität auf wirtschaftliche Brauchbarkeit getrimmt. Die Eltern zahlen dafür einen hohen Preis. Die Gewinne lukrieren Konzerne.


ICH FORDERE DIE ÖSTERREICHISCHE BUNDESREGIERUNG UND LANDESHAUPTMANN HÄUPL AUF, ALLES ZU TUN, UM GATS ZU STOPPEN UND UM DIE ÖSTERREICHISCHE BEVÖLKERUNG ÜBER DIE LAGE ZU INFORMIEREN.















Susanne Jerusalem
Landtagsabgeordnete und Gemeinderätin
Soziales, Jugend, Bildung
Grüner Klub Rathaus
1082 Wien

Tel.: 4000-81802
Fax: 4000-9981802
homepage: www.wien.gruene.at


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