Standard 02 10 02
Die wahren Probleme sind das nicht
Die wahren Probleme sind das nicht Niveaulos findet der Salzburger Erziehungs-wissenschafter und Pisa-Forscher Günter Haider die laufende Debatte. Mit ihm sprach Martina Salomon.
Standard: Was halten Sie von der Schummeldebatte?
Haider: Wenn das unsere wichtigsten Probleme sind, dann ist die Bildungspolitik auf ein Niveau abgesunken, wo man nur mehr Mitleid haben kann! Ich wünsche mir von Politikern aller Coleur, sie würden sich der tatsächlichen Probleme annehmen.
STANDARD: Leider muss ich Sie trotzdem in die Tiefebene des Schummelns
zerren: Sollen Schüler einen zweiten Blick auf Schularbeiten werfen dürfen?
Haider: Schummeln ist in diesem Zusammenhang ein irreführender Begriff. Bei einer Deutscharbeit wäre es sinnvoll, den Text noch einmal in Ruhe überarbeiten zu können.
STANDARD: Und in Mathematik?
Haider: Da müsste man fragen, worum es geht: um Leistungsmessung oder um Wissenszuwachs.
STANDARD: Dürfen Schüler heute mehr schummeln?
Haider: Weil es keine einheitlichen Standards gibt, hängt das sehr vom Lehrer ab. Die Kriterien, die in unterschiedlichen Klassen des gleichen Schultyps angelegt werden, unterscheiden sich massiv.
STANDARD: Sind legale Hilfsmittel vernünftig?
Haider: Wenn es nur ums Reproduzieren geht, dann darf man so etwas natürlich nicht erlauben. Aber in Zeiten, wo man sich auf Knopfdruck alles schnell besorgen kann, wäre es sinnvoller, mehr auf Verständnis, Kompetenzerwerb und Problemlösefähigkeit zu achten als auf Reproduktionsfähigkeit.
STANDARD: Ist ein Wörterbuch bei Schularbeiten aktzeptabel?
Haider: Ab der Oberstufe schon. Das fällt aber ohnehin in die Methodenfreiheit der Lehrer. Hierzulande hat die Lehrtätigkeit einen zu stark prüfenden, selektionierenden Charakter. Unser Vorschlag wäre: Stärkung pädagogisch unterstützender Funktionen. Objektivierbare Kompetenzen könnten viel mehr über zentrale Tests gemessen werden. Dann hätten Lehrer eine ganz andere Beziehung zu den Schülern.
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