Leopold Weißenböck
Wartmannstetten 165
2620 Neunkirchen
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Viele Kommentare zu den Feiern zum 100. Geburtstag von Leopold Figl zeigen wieder die erschreckende Ahnungslosigkeit vieler Personen über die österreichische Geschichte der Zwischenkriegszeit. Diese kann man nicht, wie leider sehr oft gemacht, mit einer vereinfachenden Schwarz-Weiß-Malerei - hier die guten Sozialdemokraten und dort die bösen Christlichsozialen - betrachten. Beide Gruppen besaßen mit dem Schutzbund und der Heimwehr paramilitärische Verbände. Es wurde prinzipiell der Gegensatz über das Gemeinsame gestellt. Vom Justizpalastbrand zur Ausschaltung des Parlaments und bis zum Bürgerkrieg 1934 wurde auf beiden Seiten die andere Partei als Feind, den es mit allen Mitteln zu bekämpfen galt, hingestellt. Figl hat in dieser Zeit sicher einige Schuld auf sich geladen. Nur sollte man einen Menschen nach der Summe seiner Leistungen beurteilen und diese fällt eindeutig zu Gunsten des verdienten Politikers aus. Die führenden Personen der 2.Republik waren zum großen Teil erbitterte frühere politische Gegner, die in der Zeit des Nationalsozialismus sehr oft am eigenen Körper die Folgen von politischer Gewalt mitmachen mußten. Aus den Feinden von einst waren zwar nicht immer Freunde aber doch Personen geworden, die erkannt hatten, dass gewalttätige politische Auseinandersetzungen kein Problem lösen sondern nur oft kaum beseitigbare Gräben schaffen und vor allem sehr viel menschliches Leid verursachen. Gerade Leopold Figl hat es in seinem Leben geschafft sehr viele ehemalige Erzfeinde zu seinen Freunden gemacht zu haben. (Renner, Olah, Kreisky,...) Er war in seinen letzten Lebensjahrzehnten ein überzeugter Österreicher, der alle seine Kräfte dafür einsetzte seinem Land die Freiheit (d. h. den Abzug der Besatzungstruppen) zu verschaffen. So hat er immer den 15. Mai 1955 als seinen größten politischen Erfolg bezeichnet. Er hielt nichts von politischen Intrigen und Stellungskämpfen und wurde auch sehr oft beiseite geschoben. Bei seinem Begräbnis im Mai 1965 waren die Straßen Wiens überfüllt, alle wollten von ihm Abschied nehmen. Wie sein Biograph Ernst Trost schrieb: "Sie hatten oft über ihn gelacht und nun scheuten sie sich auch nicht davor um ihn zu weinen."

MfG Leopold Weißenböck


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