DER STANDARD
Samstag/Sonntag, 5./6. Oktober 2002, Seite 24
Nulldefizit war teuer erkauft
Das Nulldefizit im Jahr 2001 wurde mit einem Wachstum erkauft, das gleichfalls gegen null schrumpfte: Das Bruttoinlandsprodukt betrug 2001 mit 0,7 Prozent nur noch die Hälfte des EU-Schnitts.
Wien - Das Jahr 2001 ging für die heimische Wirtschaft schlechter aus, als bisher angenommen wurde. Die Statistik Austria musste ihre Angaben zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach unten korrigieren: Das BIP wuchs 2001 nur 0,7 Prozent und nicht, wie bisher errechnet, ein Prozent. Nominell (ohne Berücksichtigung der Inflation) legte es um 2,3 Prozent auf 211,9 Milliarden Euro zu, erklärte die Statistik Austria am Freitag. Der Rückgang fiel besonders drastisch im Vergleich zum Jahr davor aus: 2000 lag das reale BIP-Wachstum noch bei 3,5 Prozent, ein halber Prozentpunkt höher als bisher errechnet. Österreich fiel damit auch klar unter den Durchschnitt der EU-Mitglieder, die 2001 noch 1,5 Prozent BIP-Wachstum verzeichneten. Ähnlich schlecht fiel das Wachstum nur 1993 und 1984 (plus 0,4 Prozent) aus; 1981 schrumpfte Österreichs BIP um 0,1 Prozent. Der Budgetexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, Markus Marterbauer, sieht in dem drastischen Rückgang vom starken Wachstumsjahr 2000 zum stagnierenden Jahr 2001 den Effekt des so genannten "Nulldefizits", erklärte der Wirtschaftsforscher gegenüber dem STANDARD. Der Wachstumseinbruch sei "primär ein Problem der Binnennachfrage", und nicht der Abhängigkeit vom Export, sagte Marterbauer. Das zeige sich daran, dass die Exporte mit 7,4 Prozent weit über dem BIP wuchsen. Der private Konsum sei mit einem realen Wachstum von 1,5 Prozent merklich unter dem langfristigen Durchschnitt von 2,25 Prozent gelegen, während die Investitionen aufgrund der hohen Steuerbelastung um vier Prozent zurückgegangen seien. Vor allem bei Maschinen und Fahrzeugen "zeigte sich die Verunsicherung der Erwartungen", sagte Marterbauer.
Bau wie 1984
Die Bauwirtschaft verzeichnete 2001 ihren schwersten Einbruch seit 1984, vor allem aufgrund des Rückgangs von 7,7 Prozent im Wohnbau. Als teilweiser Ausgleich erwiesen sich 2001 neben dem Exportwachstum das Gastgewerbe mit einem realen Zuwachs von 5,9 Prozent. Der Trend von 2001 - Wachstumsdämpfer durch Budgetrestriktionen - würde sich auch 2002 fortsetzen, sagte Marterbauer. Treffen die Prognosen zu, dann wäre 2002 das zweite Jahr in Folge mit einem Wachstum unter einem Prozent. Zuletzt hatte das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) für 2002 ein reales Wachstum von 0,9 Prozent vorausgesagt, das IHS sogar nur von 0,8 Prozent; für 2003 liegen die Voraussagen bei 2,2 bzw. 2,5 Prozent. Wenig überraschend beherrscht weiterhin Unsicherheit die Vorschauen für das nächste Jahr. Die jährlich von den großen Banken erstellte Zins- und Währungsprognose 2003, die im Rahmen eines Finanzsymposiums Freitag in Alpbach präsentiert wurde, sieht eine echte Konjunkturbelebung "frühestens im nächsten Jahr". Die Bankexperten erwarten Zinssenkungen in Europa wie den USA, um der Entwicklung nachzuhelfen. Bis zur Jahresmitte 2003 soll der Euro knapp über der Dollarparität liegen.
Deutsche Rezession
Die Deutsche Bank erwartet inzwischen für das Jahresende eine leichte Rezession in Deutschland; für das Gesamtjahr erwartet die Bank nur noch ein Wachstum von 0,1 Prozent, im nächsten Jahr 0,6 Prozent. "In diesem und im nächsten Quartal erwarten wir negatives Wachstum, eine Minirezession", sagte der Volkswirt Ulrich Beckmann. (spu, APA)
© DER STANDARD, 5./6. Oktober 2002
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