DER STANDARD
Dienstag, 8. Oktober 2002, Seite 6
Schul-Leistungen werden verglichen
Bildungsministerin Gehrer will regelmäßige Qualitätsvergleiche an den Schnittstellen
Wien - "Qualitätsvergleiche zwischen allen Schulen" möchte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer verwirklichen, sollte sie das Ressort auch noch in der nächsten Legislaturperiode leiten. Und diese Tests könnten auch durchaus öffentlich gemacht werden. Daraus wäre beispielsweise ersichtlich, wo man am besten Fremdsprachen lernen kann. Möglich wäre dies ungefähr ab 2004/ 2005. Das Ministerium ist gerade dabei, Leistungsstandards in den Hauptfächern zu definieren. Vorgesehen wären die einheitlichen Tests - wie sie im Rahmen der OECD-Bildungsvergleiche bereits existieren - an den "Schnittstellen", also jeweils in den vierten Klassen Volksschule, Hauptschule und AHS. Sie könnten regelmäßig, also etwa alle vier Jahre, durchgeführt werden. Zum Einwand gegen ein derartiges öffentliches Ranking - dass etwa Schulen mit hohem Ausländeranteil oder sozial schwierigeren Schichten unschuldig an den Pranger gestellt würden - meint die ÖVP-Politikerin im
STANDARD-Gespräch: Derartige Rahmenbedingungen müsse man eben berücksichtigen. "Das braucht Fingerspitzengefühl." Über Sanktionen bei eventuellen schwachen Ergebnissen will sie "nicht gern nachdenken". Es solle jedenfalls ein "Ansporn sein, "etwas zu verbessern".
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SPÖ-Schulsprecher Dieter Antoni scheint hingegen Gehrers Qualitätsvergleich schwer verwirklichbar: "Das würde nur schlechte Stimmung an die Schulen bringen, weil die Ausgangssituation komplett verschieden ist." Seine Frau etwa unterrichte an der Volksschule Velden, "dort gibt's ein Casino und fünf Banken", daher habe fast jeder Schüler einen Computer. Eine Bekannte der Familie unterrichte im Drautal an einer Schule mit nur einem einzigen Computer: "Und wie will man das vergleichen?" Wenn, dann habe ein Vergleich nur Sinn, wenn man Schulen mit ähnlicher Schülerzahl, ähnlicher sozialer Herkunft der Schüler, ähnlichem Standort und gleichen Typs vergleiche, findet Antoni: "Sonst wird's gefährlich." (mon, eli)
Kommentar E.W.: Bezeichnend für die österreichische Denkungsweise erscheint mir folgender Satz aus dem Artikel: "Über Sanktionen bei eventuellen schwachen Ergebnissen will [Gehrer] "nicht gern nachdenken"." Auf die Idee, daß man diesen Gedanken auch umdrehen könnte - nämlich Belohnungen bei überdurchschnittlich guten Ergebnissen - kommt offenbar niemand. Ich gehe aber wohl nicht fehl in der Annahme, daß Gehrer auch darüber "nicht gern nachdenken" würde - sollte ihr der Gedanke überhaupt je gekommen sein.
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