Schulen müssten ihren Kunden hohe Leistung preisgünstig anbieten

Ordnungspolitische Gründe für und wider Bildungsgutscheine / Von Jens Lemke

Bildungsgutscheine (Vouchers) gelten neben der negativen Einkommenssteuer und Ausbildungskrediten als alternative Finanzierungsform des staatlichen und privaten Bildungswesens. Bisher war es üblich, Bildungsinstitutionen direkt mit staatlichen Finanzmitteln zu versorgen. Dagegen sieht das Konzept von Bildungsgutscheinen vor, dass die Eltern, die Bildung für ihre Kinder nachfragen, mit Kaufkraft in Form von Gutscheinen ausgestattet werden.

Es geht somit um den Wechsel von der Objekt- zur Subjektfinanzierung. Eltern erhalten direkt von der öffentlichen Hand eine zweckgebundene Geldsumme, die sie der Schule ihrer Wahl zukommen lassen. Damit werden die Eltern in die Lage versetzt, die nach ihrer Ansicht beste Ausbildung für ihr Kind selber zu wählen, sich also an den eigenen Wertvorstellungen, dem pädagogischen Profil der Schule oder auch der Ausstattung der Schule etc. zu orientieren.

Auf diese Weise müssen Bildungsanbieter um Schüler konkurrieren. Bessere Schulen werden über einen höheren Zulauf an Lernenden finanziell begünstigt, defizitär arbeitende Bildungseinrichtungen verschwänden vom Bildungsmarkt oder müssten sich den Bildungsbedürfnissen anpassen.

Diese Art der Verteilung von Budgets stiftet bei allen Schulen Anreize, ihr hohes Niveau zu halten oder ein höheres Niveau zu erreichen. Das marktwirtschaftliche Prinzip würde die beste Verwendung der für die Bildung aufgewandten Mittel gewährleisten. Eine Einsicht, die auch die Bildungsexperten der OECD in ihrem Bildungsbericht teilen, wenn sie
feststellen: "Indem Finanzmittel für Bildungseinrichtungen über Schüler/Studierende gelenkt werden, kann ein Beitrag zu mehr Wettbewerb zwischen den Bildungseinrichtungen und zu größerer Effizienz der Bildungsfinanzierung geleistet werden." Im Ergebnis wären alle Schulen gezwungen, ihrer Kundschaft die bestmögliche Leistung zu günstigen Preisen anzubieten.

Befürworter von Gutscheinsystemen argumentieren weiterhin, dass Gutscheine eine "Deckelung" der Bildungsausgaben bieten. Der Staat setzt eine bestimmte Summe pro Schüler fest, mit der die Schulen kalkulieren und beide Seiten, die öffentliche Hand und die Schulen, erhalten größere Planungssicherheit.

Doch sind es nicht nur die finanzpolitischen Vorteile, die die Gutscheinfinanzierung so attraktiv erscheinen lassen. Der Marktlogik folgend, erhofft man sich durch ein Gutscheinsystem ein nachfragegesteuertes, breites Bildungsangebot, das sich stärker als bisher an den Präferenzen der Eltern und ihrer Kinder orientiert und zu mehr Wahlfreiheit im Bildungssystem führt. Die zunehmende Pluralisierung des Ausbildungsangebotes wird den Anforderungen einer modernen Volkswirtschaft gerecht.

Zudem könnte je nach Ausgestaltung des Gutscheines ein Beitrag zur Finanzierungsgerechtigkeit im Bildungssystem geleistet werden. Die Gymnasien und später auch die Universitäten werden bisher vor allem von Kindern einkommensstärkerer Familien besucht. Es ist nicht einsehbar, warum gerade diejenigen, die das Ausbildungssystem frühzeitig verlassen haben, über Steuern die de facto schon Privilegierten weiter unterstützen sollen. Staffelt man die Höhe der Gutscheine nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bezieher, kann dem entgegengewirkt werden.

Doch tauchen in der Diskussion um Bildungsgutscheine auch Zweifel an der generellen Umsetzbarkeit von Gutscheinkonzepten auf. Die Ausgestaltung der Gutscheine ist mit einer Reihe von politischen, fiskalischen und rechtlichen Problemen verbunden. Grundsätzlich muss ein Gutscheinsystem an die komplexen und heterogenen Verhältnisse eines Bildungssystems angepasst werden.

Zudem sind mit der Einführung von Bildungsgutscheinen erhebliche Mehrkosten verbunden. Im Gegensatz zu Modellen wie der negativen Einkommenssteuer erfordern Gutscheinprogramme einen erhöhten Verwaltungsbedarf, und mit der zwangsläufig steigenden Autonomie der Schulen werden die Kosten für die die Qualitätskontrolle und Aufsicht über die Bildungsinstitutionen steigen. Mit einem weiteren Argument blicken die Gegner von Gutscheinsystemen auf kleine Gemeinden und ländliche Gebiete. Hier könnte die Schülerzahl so klein sein, dass sich die Schule rein aus den Bildungsgutscheinen nicht finanzieren könnte, von einem entstehenden Wettbewerb ganz zu schweigen. Will man dennoch auf die Vorteile des Wettbewerbs nicht verzichten, müssen Eltern höhere Kosten für den Transport ihrer Kinder zur Schule ihrer Wahl übernehmen.

Bei aller Kritik bieten Gutscheinsysteme die Möglichkeit, öffentliche Aufgaben der Kontrolle des Marktes zu unterwerfen, und dies gilt nicht nur für das Bildungssystem. Der Staat würde von Aufgaben befreit, die er nicht effizient und den Bedürfnissen der Bürger angepasst lösen kann.




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