Kurier 16 10 02

Dicke Luft vor der Beamten-Runde

„Sehr unangenehm“ – so beschrieb Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (FP) die Stimmung beim ersten Sondierungsgespräch mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). Die selben Gefühle werden die Verhandler beim heutigen Auftakt zum Gehaltsabschluss für die Beamten beschleichen. Ist doch nicht einmal klar, worüber beraten wird. GÖD-Boss Fritz Neugebauer will das Gehaltsabkommen vom 4. Oktober 2000 für dieses Jahr „außer Streit stellen“ – das heißt volle Inflationsabgeltung.

Unverrückbar

Der Hintergrund: Die Beamten hatten für heuer nur 0,8 Prozent bekommen. Es wurde ihnen aber avisiert, „am Jahresende abzurechnen“ (GÖD-Sprecher Hermann
Feiner) – also die Inflation abzugelten, sollte sie höher sein: „Das ist unverrückbar.“ Darauf aufbauend begehren Neugebauer & Co. die Abgeltung der für 2003 prognostizierten Inflation (rund 1,5 ) und einen Anteil am Wirtschaftswachstum 2002 (0,8 bis 0,9 ). Riess-Passer will vom vollen Inflationsausgleich für 2002 nichts wissen. Sie bot zuletzt Alternativen an: Ein Prozent Abgeltung ab 1. November (das würde rund 96 Mio. Euro kosten), womit es für Jänner bis Oktober keinen Nachschlag gäbe. Oder: Gehaltsverhandlungen für 2003 im Oktober, keine Erhöhung ab 1.
November; Abrechnung der Inflationsabgeltung für dieses Jahr erst 2003.

„Unsere Forderungen sind nicht überzogen“

Die GÖD will nicht dieses oder jenes, sondern beides. Feiner: „Unsere Forderungen sind nicht überzogen. Wir haben die Budgetentwicklung und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Auge. Es muss aber eine Kaufkraftstärkung geben.“ Besoldungsreferent Peter Korecky (SP), der beim Vorstand am Donnerstag zum Vizechef der GÖD aufsteigt, formuliert deftiger: „Wenn Riess-Passer nach wie vor nicht über 2002 reden will, müssen wir für 2003 sehr viel verlangen, um die Lücke zu schließen.“ Eine konkrete Forderung für das kommende Jahr werde es heute noch nicht geben, sagte Feiner dem KURIER. Vorerst sind die Wirtschaftsforscher am Zug: Sie erläutern die Ausgangslage. Bernhard Felderer vom IHS versteht zwar, dass die GÖD auf die Nachzahlung pocht, und räumt ein, dass der Staatsdienst „in der Einkommensentwicklung hinter jener in der Privatwirtschaft nachhinkt“, aber: „Der Staat steckt in wirklich großen finanziellen Schwierigkeiten.“ Auf Drohungen verzichten die Beamten im derzeitigen, delikaten Stadium, auch wenn die „Lizenz zum Streiken“ in der Schublade liegt. Feiner und Korecky
unisono: „Jetzt wird verhandelt.“ Die Sache müsse aber vor der Nationalratswahl erledigt sein.

Hoffnung

Genau diese könnte ihnen behilflich sein, glauben viele in der GÖD. Schließlich tendiert das Gros der Beamten nach wie vor zur ÖVP. Dort heißt es auch: „Wir wollen diese Klientel nicht verprellen. Was Riess-Passer macht, ist nicht optimal.“ Die Überlegung der Schwarzen: Gelingt dem Kanzler der Gehaltsabschluss, „kann man Wolfgang Schüssel als den verkaufen, der die Kastanien aus dem Feuer geholt hat“.





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