In Vorwahlzeiten sind Fragebögen an die politischen Parteien beliebt. Zuletzt veröffentlichte die „AHS“ in der Nummer 8 einen solchen, ebenso die Oktober-Nummer des „Kreidekreis“. Letzterer wurde von SPÖ und FPÖ erst gar nicht beantwortet, sondern nur von ÖVP und Grünen.

Im „Kreidekreis“ lautet eine der Fragen:
„Werden Sie eine Reform der LehrerInnenausbildung im Sinne einer gemeinsamen Ausbildung aller LehrerInnen anstreben? Wenn ja, werden Sie dafür sorgen, dass ALLE LehrerInnen an den universitären Ausbildungs- und Besoldungsstatus von UniversitätsabsolventInnen (dzt. AHS, BHMS) angeglichen werden und dass keine ‚kostensenkende’ Nivellierung nach unten erfolgt?“

Van der Bellen antwortet darauf: „Wir sind für eine gemeinsame Ausbildung aller LehrerInnen, wobei eine Arbeitsteilung zwischen Universitäten (fachliche Teile) und pädagogischen Hochschulen (Praxis,
Didaktik) denkbar ist. Für NeueinsteigerInnen muß es dann ein neues, gleiches Dienstrecht geben. Für bereits im Dienst befindliche LehrerInnen darf keine Verpflichtung des Umstiegs bestehen.“ Damit präzisiert Van der Bellen eine allgemeiner gehaltene Brosz-Aussage in der „AHS“: „Wir streben generell eine Ausweitung der Praxisteile in der Ausbildung an. Fachliche Ausbildung an den Universitäten und praktische Ausbildung and den pädagogischen Hochschulen ist für mich eine Zukunftsperspektive.“

Schüssel will die PÄDAKS „weiterentwickeln“ und die fachlich-wissenschaftliche Ausbildung der LehrerInnen an höheren Schulen an den Universitäten belassen. Damit stimmt er mit der Amon-Aussage in der „AHS“ überein.

Für mich interessant ist Van der Bellens Bekräftigung der „gemeinsame[n] Ausbildung aller LehrerInnen“ und des sich logisch daraus ergebenden gleichen Dienstrechts. Wenn – wie aus der „Kreidekreis“-Frage hervorgeht - die Nivellierung nach oben hin erfolgen soll, dann kann das ja wohl nur heißen, daß eine VS-Lehrerin in Zukunft etwa fünf Jahre (wenn sie gut ist) ausgebildet werden muß, bevor sie ihren Dienst antreten kann. (Von VS-Lehrern rede ich deswegen nicht, weil sie prozentuell kaum ins Gewicht fallen.)

Was ich (als AHS-Lehrer) nicht begreife, ist die Vergleichbarkeit der Fachausbildung. Ein/e GermanistIn an einer höheren Schule zum Beispiel muß ihren/seinen zukünftigen SchülerInnen die deutsche Literatur und deren Interpretation beibringen, nebst diversen Feinheiten der Grammatik und anderen Dingen (etwa Medienkunde, Textsorten, IKT [?] etc.), die in der VS gar nicht vorkommen. Wo findet sich im VS-Stoff des Faches Deutsch etwas Vergleichbares? (Wohlgemerkt – ich rede hier nicht von Didaktik, sondern von Lehrstoff.) Was treibt eine zukünftige VS-Lehrerin fünf Jahre lang in der Fachausbildung für Deutsch? (Ich gehe davon aus, daß auch in den Praxis-Phasen die Fachausbildung nicht auf Null reduziert wird.)

Ein weiterer Aspekt der Nivellierung nach oben ist der Umstand, daß die betroffenen Frauen zwei Jahre länger warten müssen, bis sie ihr erstes Gehalt bekommen – jetzt nach drei Jahren, dann nach fünf. (Und da habe ich den Minderverdienst im Probejahr noch gar nicht eingerechnet.) Jetzt haben sie die Wahlmöglichkeit zwischen Lehrberufen mit früherem oder späterem Dienstbeginn – dann nicht mehr. Ist der Entzug dieser Wahlmöglichkeit ein emanzipatorischer Akt oder eine Zwangsbeglückung?

Ich bin mir dessen bewußt, daß die Diskussion dieser Frage nichts Neues ist, aber aus gegebenem Anlaß – und weil sie nach meiner Erinnerung im LF noch nie gelaufen ist – weise ich darauf hin.

Erich Wallner






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