Die Tatsache, dass Reformbedarf im österreichischen Schulsystem verstärkt in Vorwahlzeiten geortet wird, ist wohl vielen suspekt. Neben lächerlich-populistischen Meldungen (Vorschlag zur Institutionalisierung individuell verfertigter Testbestehbehelfe) ist es sicherlich interessant, die Schulsysteme anderer Länder zu Vergleichszwecken heranzuziehen. Leider wird hier jeweils sehr selektiv wahrgenommen -- zunächst bereits von den ErstellerInnen der betreffenden Studie, die etliche Rahmenbedingungen bewusst oder unbewusst nicht ins Kalkül ziehen, und dann in zweiter Linie auch noch von den selbsternannten InterpretInnen im eigenen Land. Was dann noch an die Öffentlichkeit dringt ist nur mehr das übliche Vorurteile perpetuierende Gewäsch (die Kinder haben dort viel weniger Unterrichtsstunden, können aber viel mehr als unsere, daher müssen unsere LehrerInnen faule Trottel sein etc.).
Die Idee individueller Fördermaßnahmen auf Kosten der einen oder anderen Pflichtstunde klingt in meinen Ohren nicht uninteressant. Wenn ich mir überlege, wieviel Zeit unsere SchülerInnen ohne jeglichen Lerneffekt in der Schule absitzen (in der Oberstufe fehlen sie dann eh), weil die Rahmenbedingungen alles andere als motivationsfördernd sind, und wenn ich mir dann das jämmerliche Gestammle bei so mancher Englischmatura (nach 10 - 12 Jahren Englischunterricht!) anhöre, so glaube ich schon, dass strukturelle Verbesserungen möglich und notwendig sind.
Warum wahlwerbende Gruppen dann gleich ganz radikal ansetzen müssen (Forderung nach Einführung der Gesamtschule, keine Klassenwiederholung mehr), verstehe ich allerdings nicht. Ist es nicht so, dass auf Grund der Tatsache, dass es Privatschulen gibt, Gesamtschulen niemals flächendeckend eingeführt werden könnten (höchstens vielleicht formal)? Was soll diese Diskussion?
Ich wünsche jetzt bereits ein schönes ruhiges langes Wochenende.
K Forstner
----- Original Message -----
From: "Josef Zwickl"
To: "Dieter BROSZ" ;
Sent: Wednesday, October 30, 2002 7:34 PM
Subject: LF: Re: aktuelle Aussendung
> Wieso um Gottes Willen, sollen unsere Schüler keine Chancengleichheit
haben?
> Man verzeih mir, aber solch einen Unsinn habe ich lange nicht gehört.
> Das Allheilmittel im finnischen Schulsystem zu suchen, halte ich für
> nicht richtig, denn große Teile davon werden auch in jenen Ländern
> angewendet,
die
> in der PISA-Studie eher mager abgeschnitten haben.
> Es ist mehr als durchsichtig, wenn in Vorwahlzeiten plötzlich alles an
> unserer guten Schule schlecht sein sollte. Denken wir über weitere
> Verbesserungen nach ohne die Errungenschaften unseres Schulsystems
> aufzugeben. Gut, dass für gravierende Änderungen im Schulbereich 2/3
> Mehrheit erforderlich ist. MfG
> Josef Zwickl
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