Frankfurter Rundschau 31 10 02
Brummender Bildungshandel
Europäische Bildungsminister kritisieren Globalisierungskurs
Von Karl-Heinz Heinemann
BRIXEN. Thomas Oppermann war irritiert: Dem niedersächsischen Wissenschaftsminister und SPD-Mann ging bei der "2. Europäischen Konferenz der Regionalen Minister für Kultur und Bildung" in Brixen/Südtirol die harsche Kritik an der Globalisierungspolitik der Welthandelsorganisation WTO, an der undemokratischen Verhandlungsführung der EU und die Warnungen vor dem Verlust der kulturellen Vielfalt und Eigenständigkeit zu weit. Die Kritiker waren 150 Bildungs- und Kulturpolitiker, zum großen Teil aus konservativen Parteien, die "Auswirkungen der Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen im Kultur- und Bildungsbereich" beleuchteten. Eingeladen hatte die "Versammlung der Regionen Europas" (VRE), ein Zusammenschluss von 250 Körperschaften. Die VRE will die regionale Vielfalt in Europa erhalten: kleine Sprachen fördern, die Rechte der Regionen gegenüber den Zentralregierungen in Europa einfordern.
Bruno Hosp, Kulturminister der autonomen Provinz Südtirol, wollte Licht in die Geheimdiplomatie der neu angelaufenen GATS-Runde bringen. Man müsse endlich eine europaweite Diskussion über die möglichen Folgen von GATS, dem "General Agreement on Trade in Services" führen. In dem 1994 geschlossenen Abkommen verpflichten sich die Unterzeichner, im Handel mit Dienstleistungen den Anbietern aus allen Mitgliedsstaaten die günstigsten Bedingungen einzuräumen und sie gegenüber inländischen Anbietern nicht zu benachteiligen. Dabei geht es auch um Bildungsdienstleistungen, vom Kindergarten über Schule und Hochschule bis zur Weiterbildung. Für den Vertrieb und die Anerkennung von Studiengängen über das Internet und bei der Einrichtung von Filialhochschulen im Ausland spielt GATS schon jetzt eine wichtige Rolle.
Staatliche Dienstleistungen und Subventionen waren bisher vom Gebot der Gleichbehandlung nicht betroffen, weil die Europäische Union Ausnahmeklauseln vereinbart hatte. Deshalb konnten etwa das Land Bremen und die Bundesregierung noch frei entscheiden, ob sie die Bremer International University beim Hochschulbau genauso subventionieren wie eine öffentliche Hochschule. Gilt GATS auch für Hochschulen, so wären sie zur Gleichbehandlung verpflichtet. Gleiches gilt für Schulen: Solange der Staat seine Schulen finanziert, nicht aber private Konkurrenzangebote, kann er seine Marktführerschaft sichern und damit auch die Qualitätsstandards setzen. Doch dieser Vorbehalt muss nun auf den Prüfstand. Japan, die USA und Australien fordern, die Ausnahmeregeln nicht zu verlängern. In ihrer Schlusserklärung unterstrichen die Bildungs- und Kulturminister, die EU solle keinen Wünschen nach Marktöffnung für Bildung und Kultur nachgeben und auch selbst keine Forderungen stellen.
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