Spiegel
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LEHRER-ARBEITSZEIT
Keine Fleißkärtchen für Pädagogen
Von Jochen Leffers
Alle Lehrer einer Schule haben die gleiche Zahl von Pflichtstunden - ob sie ein korrekturintensives Abiturfach unterrichten oder Achtklässlern über den Schwebebalken helfen. Ein aktuelles Urteil aus Nordrhein-Westfalen macht empörten Pädagogen wenig Hoffnung.
Ist der Lehrerberuf wirklich ein "gut dotierter Halbtagsjob", wie es Deutschlands Lehrern stets gern vorgeworfen wird? Klar ist: Lehrer genießen eine Reihe von Privilegien, die es in anderen akademischen Berufen nicht gibt - als Beamte müssen sie nie um ihre Stelle bangen, nur einen Teil der Arbeitszeit am Arbeitsplatz verbringen. Deutsche Lehrer sind im internationalen Vergleich hervorragend bezahlt und erhalten später vorzügliche Pensionen. Und ihr Urlaub fällt weit üppiger aus als in fast jedem anderen Job. Klar ist aber auch: Selbst wenn man die Schulferien einrechnet, arbeiten viele Lehrer mehr als 38,5 oder 40 Stunden. Denn viele Pädagogen-Aufgaben bleiben unsichtbar - neben der Unterrichtsvorbereitung korrigieren sie zum Beispiel Klassenarbeiten, bilden sich fort, sprechen mit Eltern, organisieren Klassenfahrten und manches mehr.
Wild ist der Westen, schwer ist der Beruf
Richtig zuverlässige Arbeitszeit-Untersuchungen sind selten, die meisten beruhen ausschließlich auf eigenen Angaben der Lehrer. Ende der neunziger Jahre ermittelte die Unternehmensberatung Mummert und Partner bei Nordrhein-Westfalens Lehrern eine Arbeitszeit von 1800 Stunden jährlich - rund hundert Stunden mehr als der Durchschnittsbeamte. Und selbst wenn man die Ferien berücksichtigt, liegen die Pädagogen mit durchschnittlich 42,5 Stunden über dem Beamtensoll.
Sportunterricht: Keine Korrekturen, mehr Freizeit
Gleichwohl gibt es offenbar große Unterschiede zwischen emsigen und arbeitsscheuen Lehrern - und offenbar auch von Fach zu Fach. Das belegt zum Beispiel eine aktuelle Untersuchung der FU Berlin und entspricht auch der Selbsteinschätzung von Lehrern: Wer in Fächern wie Fremdsprachen, Deutsch oder Sozialwissenschaften ständig Klassenarbeiten oder Klausuren korrigieren muss, so der klare Befund, arbeitet mehr. Wer dagegen in der Sporthalle seinen Schülern über den Schwebebalken hilft oder Fächer wie Kunst und Musik unterrichtet, kann früher die Füße hochlegen. Trotzdem haben Lehrer aller Fächer fast überall die gleiche Pflichtstundenzahl.
Abfuhr vor Gericht
NRW-Bildungsministerin Gabriele Behler hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, die Arbeitszeit der Lehrer gerechter zu verteilen, wie Bayern es bereits praktiziert. An Grund-, Haupt- und Realschulen zum Beispiel liegt die Stundenzahl in NRW bei 27 pro Woche; davon sollte die Arbeitszeit eines einzelnen Lehrers fortan um bis zu drei Stunden nach oben oder unten abweichen können und der Schulleiter auf Vorschlag der Lehrerkonferenzen über die Be- und Entlastungen entscheiden.
Umgesetzt ist das Modell aber noch nicht. Ein Gymnasiallehrer aus Nordrhein-Westfalen hält das für höchst ungerecht. Vor Gericht beschwerte er sich, dass er wesentlich länger arbeiten müsse als Kollegen mit einer Fächerkombination, bei der kaum Vorbereitungen oder Korrekturarbeiten anfielen. Und so forderte der Pädagoge, künftig zwei Stunden weniger unterrichten zu müssen - schließlich liege seine Wochenarbeitszeit ohnehin weit über der 38,5-Stunden-Woche des öffentlichen Dienstes.
Lassen wir doch einfach Lehrer länger unterrichten
Keine Chance, winkte das Verwaltungsgericht Düsseldorf ab und wies die Klage zurück. Dem Arbeitsaufwand jedes einzelnen Lehrers mit allgemeinen Regeln gerecht zu werden, sei kaum möglich und eine gleiche Pflichtstundenzahl für alle Lehrer daher vertretbar, urteilten die Richter (Aktenzeichen 2 K 6087/00).
Für weitere Klagen zur Arbeitszeit machten sie zornigen Lehrern kaum
Hoffnung: Immerhin hätten Lehrer im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern fünf Wochen zusätzlicher Freizeit im Jahr. Allein um dies auszugleichen, müssten sie in der übrigen Zeit 43,4 Stunden pro Woche arbeiten. Eine Erfüllung des Pflichtpensums sei in dieser Zeit möglich, schrieben die Düsseldorfer Richter den Lehrern ins Stammbuch.
Das ist Wasser auf die Mühlen der Finanzpolitiker in den Ländern. Das bankrotte Berlin zum Beispiel will jetzt die Arbeitszeit der Lehrer erhöhen - weder eine neue noch besonders originelle Idee. Dieses Spiel kennen Lehrer bestens: Wenn ein Bundesland sparen muss, dann brummt es den Lehrer einfach ein, zwei Pflichtstunden mehr auf, erhöht obendrein die Klassengrößen und garniert das noch mit einer gepflegten Beschimpfung der "faulen Säcke". Denn damit ist die Lufthoheit über den Stammtischen garantiert.
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