PRESSE 05 11 02

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Mehr Qualität an Schulen und Folgen für säumige Lehrer

Die OECD-Studie zu den Unterrichtsstunden im europäischen Vergleich sorgt für Diskussionen: Zertifikate und Leistungsstandards sollen die Qualität des Unterrichts verbessern. Bei schwarzen Schafen unter den Lehrern soll es strengere Konsequenzen geben.

VON GUDULA WALTERSKIRCHEN

WIEN. "Wir müssen der Qualität nachspüren und uns ansehen, was am Ende der Schule an Output herauskommt." Heinz Gruber, Sektionschef im Bildungsministerium, sieht nach der kürzlich veröffentlichten OECD-Studie, die europaweit die Zahl der Unterrichtsstunden verglich, durchaus Handlungsbedarf. Demnach verbringen Österreichs Schüler mit Abstand am meisten Zeit in ihrer Klasse: Die 12- bis 14jährigen haben 1148 Stunden Unterricht pro Jahr, der Europa-Schnitt liegt bei nur 936 Stunden. Am kürzesten ist der Unterricht in Finnland (570 Stunden), das gleichzeitig aber bei bei den Leistungen ihrer Schüler laut Pisa-Studie an der Spitze liegt.

"Unterschied auffällig"

Daß Österreichs Schüler trotz wesentlich mehr Unterricht weniger lernen als ihre Kollegen will Gruber nicht gelten lassen: "Das ist eine verkürzte Schlußfolgerung." Dennoch gesteht er zu, daß der Unterschied "schon auffällig ist". Es würde aber nicht differenziert, ob es sich um eine Ganztagsschule handle und ob Skikurse und schulautonome Tage eingerechnet würden. Zusätzlich gebe es unterschiedlich lange Unterrichtseinheiten, und mit einer Schulstunde von 50 Minuten hätte man automatisch zehn Prozent mehr Unterricht als mit 45 Minuten pro Einheit. "Man lernt aber nicht unbedingt um zehn Prozent mehr", so Grubers Hypothese.

Die Präsenz der Schüler im Unterricht hält Gruber aber prinzipiell für wichtig. Dem Unterrichtsversuch an einer Wiener AHS, wo die Anwesenheitspflicht reduziert wurde, kann er nichts abgewinnen. Am BG und BRG Rahlgasse müssen die Schüler in der sechsten Klasse nur bei 80 Prozent des Unterrichts anwesend sein, in der siebten und achten Klasse nur bei 66 Prozent. Dadurch sollen die Schüler zu Eigenverantwortlichkeit gebracht werden. "Es ist problematisch, wenn Schülern in der AHS vermittelt wird, daß 20 Prozent des Unterrichts entbehrlich sind", kritisiert Gruber. Frequenzregelungen würden immer voll ausgeschöpft. Ziel und Motivation müsse vielmehr sein, möglichst vollständig am Unterricht teilzunehmen.

Um die Leistung und Qualität der österreichischen Schulen vergleichbar messen zu können, hält der Sektionschef Standards für den jeweiligen Abschluß und die Einrichtung einer Evaluierungsagentur für sinnvoll. Diese müßte vor allem den Schulstandort genau betrachten. "Es ist ja nicht anzunehmen, daß an einem Standort alle G'scheiten versammelt sind." Die Schulen sollten, wie etwa im Umweltbereich bereits verbreitet, um eine Zertifizierung ansuchen können und mit dieser ihre Schule auch bewerben dürfen. Ein Ranking hält er für absolut schlecht, das wirke in Großbritannien teilweise existenzvernichtend für die Schulen und setze einen Teufelskreis nach unten in Bewegung. "Wir müssen uns bemühen, alle Schulen auf einem möglichst guten Qualitätsstandard zu halten."

Ressourcen sollten entsprechend dem "sozialen Brennpunkt" eingesetzt werden, in der Oberschicht würden andere Lernbedingungen herrschen als in der Unterschicht. "Hietzing ist nicht zu vergleichen mit Ottakring." Schulen, die etwa einen hohen Anteil mit Kindern nicht-deutscher Muttersprache hätten, würden einen bis zwei Lehrer mehr bekommen.

Lehrer nicht dagegen

Auch die Lehrer, glaubt Gruber, würden sich gegen eine Zertifizierung nicht wehren. "Wenn sie nicht persönlich zur Rechenschaft gezogen werden", schränkt er ein. Bei "schwarzen Schafen" unter den Lehrern, bei deren Klassen das Leistungsniveau stark abweiche, sollte aber das "Dienstrecht entsprechend angewendet werden". Es gebe die Möglichkeit, einen Lehrer nach zweimaliger Ermahnung sogar zu kündigen. Das werde aber selten angewendet, schränkt Gruber ein. "Bei den Sturen muß man aber aus Verantwortung der Schule, den Eltern und den Schülern gegenüber die Konsequenzen ziehen - und das mehr als bisher." Bei den Vorgesetzten fehle dafür aber leider oft der Mut.

Daß die Zahl der Unterrichtsstunden der Lehrer im internationalen Vergleich unter dem Durchschnitt liegt, bestreitet Gruber nicht. Laut OECD-Vergleich unterrichten Lehrer in Österreich 658 Stunden pro Jahr, im europäischen Schnitt 720 Stunden. An eine Erhöhung der Lehrverpflichtung sei nicht gedacht. In den Pflichtschulen habe man das Problem bereits gelöst, hier liege die Jahresarbeitszeit mit 765 Stunden pro Jahr über dem internationalen Schnitt.




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