Ein Tipp: ersetzen Sie bei der Lektüre "Panzer" durch "Abfangjäger", "Matrosen" durch "Schilehrer", "Niedersachsen" durch "Oberösterreich(?)" und "Deutschland" durch "Österreich"...
Übrigens: das ist - Achtung! - NOCH ein satirischer Text.
Grüße sendet
Timo Davogg
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Süddeutsche 05 11 02
http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/getArticleSZ.php?artikel=artikel441.ph
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„Wir investieren in Bildung“
Das haben wir Politiker nach Pisa versprochen. Seither warten die Bürger naiv auf Verbesserungen im Bildungswesen. Vorwurfsvoll beanstanden sie, dass zu wenig Geld in die Schulen fließt. Wo aber steht, dass Investitionen Geld kosten müssen?
Wir Politiker mobilisieren menschliche Ressourcen, das ist unmittelbarer und wesentlich billiger. Tausende Rentner sitzen daheim und kraulen gelangweilt ihre Dackel. Wissen nicht, wohin mit ihrer Energie und Lebenserfahrung. Ab in die Schulen! Dort können sie Hausaufgaben betreuen, den Geschichts-,
Erdkunde- und Musikunterricht bereichern und mit den lieben Kleinen basteln. Ehrenamtlich natürlich. Denn kosten darf Bildung nichts. Zunächst setzen wir die Rentner nur zur Nachmittagsbetreuung ein, später aber können wir sie (gegen eine kleine Aufwandsentschädigung) durchaus auch im regulären Unterricht verwenden. Wir benötigen dadurch weniger Lehrer und können für das Geld Bankbürgschaften übernehmen, den Spitzensteuersatz senken und schöne neue Panzer kaufen.
Dann sehen wir uns mal bei den frühpensionierten Lehrern um. Da könnte man einige noch mal beim Gesundheitsamt vorführen. Die Amtsärzte bekommen eine nette Provision für die erfolgreiche Rückführung von Berufsflüchtigen in den Schuldienst. Dort gibt es natürlich nur die gekürzte Frührente, nicht etwa volle Bezüge.
Seit Pisa wissen wir, dass die Lehrerausbildung schlecht und teuer ist und die meisten Schüler ohnehin kaum auf die Pädagogen hören. Deshalb aktivieren wir alles, was laufen, zählen und buchstabieren kann. Die ersten Quereinsteiger (ehemalige Versicherungsagenten, Matrosen, Scherenschleifer und Masseure) bereiten sich gerade auf das Lehramt vor. Eigene Schulerfahrung können sie alle vorweisen, und das bisschen Wissen über Pädagogik eignet man sich im (selbstverständlich verkürzten) Referendariat ganz nebenbei und mühelos an. Die „Frischlinge“ aus anderen Berufen haben etwa in Niedersachsen den erfreulichen Altersdurchschnitt von 47 Jahren. Wir brauchen schließlich an unseren Schulen unverbrauchte Kräfte mit neuen Ideen und jugendlichem Elan. Diese Umschulungen kosten zwar auch Geld, aber längst nicht so viel wie ein herkömmliches Lehramtsstudium. Und: Wer später Lehrer wird, bekommt auch weniger Pension.
Wir investieren in die Bildung, indem wir die Lehrerarbeitszeit weiter erhöhen. Da schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen sind die Wähler entzückt. Den ungeliebten Lehrern gönnt man von Herzen, dass sie mal richtig rangenommen werden. Zum anderen sparen wir jede Menge Neueinstellungen. Und die Lehrer, alt und resigniert, wie sie sind (Altersdurchschnitt in Berlin: 47 Jahre), wehren sich ohnehin kaum noch.
Wir tun also wirklich etwas für die Bildung. Mit genialen Innovationen bringen wir wieder Glanz und Schwung in unsere Schulen. Deutschland kann getrost in die Zukunft blicken!
Gabriele Frydrych. Die Autorin ist Studienrätin in Berlin.
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