DER STANDARD
Donnerstag, 7. November 2002, Seite 4
Berlusconi erfindet den "Wander-Prozess"
Neuer Freispruch für italienischen Premier
Andreas Feichter aus Rom
Silvio Berlusconi dürfte die Probleme, die ihm Staatsanwälte machen, endgültig los sein. Mit der Verabschiedung des Gesetzes, das es Angeklagten erlaubt, Richter bei bloßem Verdacht auf Befangenheit abzulehnen, verleihen "Wanderprozesse" italienischen Angeklagten quasi Immunität gegen das Strafrecht. Für die Opposition ist es ein "schwarzer Tag für die Demokratie", Richter und Intellektuelle haben unmittelbar nach Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes am Dienstag mit Unterschriftensammlungen begonnen, Präsident Carlo Azeglio Ciampi solle das von Berlusconis Mitte-rechts-Allianz beschlossene "Horrorgesetz" nicht unterzeichnen. Die Mailander Berlusconi-Prozesse - dem Premier wird Bestechung vorgeworfen - werden nach Inkrafttreten des Gesetzes gestoppt, das italienische Höchstgericht muss dann über eine Verlegung befinden, vom neuen Gericht müssen die Prozesse neu aufgerollt werden. Berlusconi-Anwälte haben angekündigt, dass sie dann wieder die Verlegung beantragen werden. Vor dem "Befangenheitsgesetz" hatte die Regierung bereits Bilanzfälschung zum Bagatelldelikt erklärt und die Verjährungsfristen gesenkt. Genau dies kam dem Premier jetzt zugute: Berlusconi war wegen Bilanzfälschung angeklagt, sein Fußballclub AC Milan hatte den Spieler Gianluigi Lentini gekauft, laut Staatsanwaltschaft wurde die Hälfte des Kaufpreises aus "schwarzen" Kassen bezahlt. Das Verfahren wurde Dienstag wegen Verjährung eingestellt.
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