Wenn ich den Spiegel-Artikel auf das kürze, was mir relevant erscheint (wie ich das unten getan habe), dann stellt sich heraus, daß der Erfolg dieser Schule mitnichten auf ein besonderes Konzept zurückzuführen ist. Entscheidend ist der Umstand, daß die SchülerInnen aus - man verzeihe mir das Unwort - A-Schicht-Familien stammen. Bezüglich der Mädchen wird das ja auch ausdrücklich einbekannt ("bildungsstarke Familien"). Daß sich das auch auf demokratische Kompetenz und politisches Bewußtsein auswirkt, nimmt nicht Wunder.
Besonders entlarvend ist der folgende Satz: " Aber auch beim Vergleich zu anderen Jugendlichen mit ähnlichem Familienhintergrund und kognitiven Grundfähigkeiten kann die Laborschule mithalten. In Lesen und Naturwissenschaften sind ihre Schüler ungefähr gleich gut, nur in Mathematik etwas schlechter." - Auf gut Deutsch heißt das nichts anderes, als daß - ceteris paribus - diese "Struwwelpeter-Schule" fast so gut ist wie eine Regelschule.
Wie man sich trotzdem triumphierend die Feder an den eigenen Hut stecken kann ("Es gelingt in der Laborschule ganz offensichtlich, junge Menschen mit hohen sozialen Wertvorstellungen und politischem Bewusstsein zu erziehen", sagte Schulleiterin Susanne Thurn") vermag ich nicht nachzuvollziehen.
Und wenn die Helene-Lange-Schule (siehe letzter Absatz) sich ihre Lehrer selber aussuchen kann, dann überrascht es auch nicht wirklich, wenn die Erfolge besser sind. Ein Fußballtrainer kriegt ja seine Mannschaft auch nicht zugelost.
Erich Wallner
P.S.: Interessieren würden mich dazu die Meinungen der Kollegen F. Gebesmair und H. Handler-Kunze! (Die Langform des Artikels wurde am Samstag früh gepostet.)
SPIEGEL ONLINE - 15. November 2002, 11:18
URL: http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,222795,00.html
Pisa-Test mit Bravour
Der späte Triumph der Struwwelpeter-Schule
An der Bielefelder Laborschule, eines der bekanntesten deutschen Reformmodelle, erhalten die Schüler bis zur 9. Klasse nicht einmal Zensuren. Dennoch sammelten sie Traumnoten, als die Schule jetzt freiwillig einen Pisa-Nachtest absolvierte - besser als Bayern und nahezu gleichauf mit Finnland oder Korea.
Der Vorsprung gegenüber anderen deutschen Schülern ist aber auch darauf zurückzuführen, dass die Laborschüler günstigere Lernvoraussetzungen haben. So verfügen die Eltern im Durchschnitt über deutlich höhere Schul- und Berufabschlüsse als an anderen Schulen. Aber auch beim Vergleich zu anderen Jugendlichen mit ähnlichem Familienhintergrund und kognitiven Grundfähigkeiten kann die Laborschule mithalten. In Lesen und Naturwissenschaften sind ihre Schüler ungefähr gleich gut, nur in Mathematik etwas schlechter.
Ohne Zensuren und Klassenraum
Besonders leistungsstark sind die Mädchen an der Laborschule - ausgeprägt im Lesen, ebenfalls erkennbar in Mathematik und Naturwissenschaften. Den Unterschied zu den Jungen erklären die Forscher damit, dass mehr Mädchen an der Laborschule aus bildungsstarken Familien kommen.
Markant sind die Stärken der Laborschüler in demokratischer Kompetenz. Die Studie stellte eine hohe Bereitschaft fest, Verantwortung zu übernehmen und sich sozial zu engagieren. Den Laborschülern wurde zudem ein höheres politisches Informationsverhalten attestiert als bei anderen Jugendlichen.
"Es gelingt in der Laborschule ganz offensichtlich, junge Menschen mit hohen sozialen Wertvorstellungen und politischem Bewusstsein zu erziehen", sagte Schulleiterin Susanne Thurn.
Eine weitere Reformschule, die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden, hatte beim regulären Pisa-Test beim Textverständnis und in den Naturwissenschaften sogar bessere Werte als Finnland und Korea erzielt. Beide Schulen bekommen ihre neuen Lehrer nicht vom Staat zugeteilt, sondern können sie nach eigenen Kriterien auswählen. "Ich will an meiner Schule nur die Wagemutigen. Viele Lehrer sind lebende Klagemauern", so die Wiesbadener Schulleiterin Enja Riegel.
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