FAZ 20 11 02

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Lesefaul

oll. Schüler leisten mehr, wenn von ihnen viel erwartet wird, eine strenge Disziplin und die Bereitschaft zur Anstrengung herrschen und sie ein gutes Verhältnis zu ihren Lehrern und ihrer Schule haben. Das ist die wichtigste Erkenntnis der neuen OECD-Studie, die einzelne Ergebnisse der Pisa-Studie näher analysiert und sich durch solche Folgeveröffentlichungen fortwährend ins Gespräch bringt. Wichtiger als die Struktur ist also das Lernklima an der Schule und zu Hause. Denn das Gespräch mit den Eltern, deren Lesegewohnheiten, aber auch die bloße Anzahl der zu Hause verfügbaren Bücher sind grundlegend für die Freude am Lesen. Die Lesefähigkeit der Schüler ist entscheidend für den Lernerfolg in allen Fächern, bestimmt jedoch auch das persönliche Leben. Es ist beunruhigend, daß deutsche Schüler der neuen Studie zufolge in ihrer Freizeit so gut wie nicht mehr lesen - und wenn, dann in den seltensten Fällen Bücher. Offensichtlich gelingt es weder Eltern noch Lehrern, Freude am Lesen zu vermitteln. Dabei könnten einzig Lesefreude und Lesefähigkeit die enge Bindung zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland lösen.

Doch gegenwärtig haben die Schüler den Eindruck, Eltern und Lehrer interessierten sich zuwenig für sie. Lehrer glauben, mit ihrem Unterricht die Schüler nicht mehr zu erreichen. Die resignative Stimmung unter vielen Lehrern und Schülern hat sich längst wie Mehltau über das gesamte Unterrichtsgeschehen gelegt. Auf diese Weise wird es den Stimmungsumschwung nicht geben, der die deutschen Lernergebnisse verbessern könnte. Solange Lehrer nur noch eine Nebenrolle in der Schule spielen und alles können sollen, aber nichts dürfen, wird sich die depressive Spirale weiterbewegen. Ein neuer Aufbruch ließe sich einleiten, wenn es Lehrern ermöglicht würde, sich auf ihre Kernkompetenz, das Unterrichten, zu konzentrieren. Dazu müßten Eltern ihre Erziehungsverantwortung und Vorbildfunktion wieder ernst nehmen. Statt Milliarden in fragwürdige Ganztagsbetreuung zu investieren, könnten die Schulen mit Speziallehrern für Förderstunden, Schulpsychologen und Sozialberatern ausgestattet werden, denn Betreuung ist im Unterricht fehl am Platz. Dort geht es um Wissensvermittlung und Arbeitshaltungen, die nur ein Lehrer leistet, dessen Rolle nicht andauernd in Frage gestellt wird.


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