Österreich hat gewählt. Was nun?
Der Wahlkampf hat gezeigt, dass die Steuer- und Abgabenpolitik der
Eckpfeiler der Wirtschaftspolitik ist und auch in der Zukunft bleiben
wird. Diesen Aspekt hat die Steuerinitiative in der Vergangenheit
immer wieder betont und ihre Forderungen davon abgeleitet. Sei es in
Fragen der Pensionssicherung, der Aufrechterhaltung eines
leistungsfähigen Gesundheitswesens für alle Bürger, der
Funktionstüchtigkeit des öffentlichen Dienstes, der Aus- und
Weiterbildung, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Armut oder in der Frage einer Lohnsteuerreform: Immer wieder geht es um das
Steuergeld!
Alle Parteien haben uns sichere Pensionen versprochen. Was heißt
jedoch sicher? Erzielt man Sicherheit durch Anhebung des
Pensionsalters, durch Erhöhung der Beiträge oder ist damit gar an eine Kürzung der Pensionshöhe gedacht? Bedeutet Sicherheit die
Aufgabe oder Zurückdrängung des bewährten Umlagesystems zu Gunsten eines Kapitaldeckungssystems? Haben sich die WählerInnen tatsächlich für diese Art einer Pensionssicherung entschieden? Aus Sicht der Steuerinitiative wird die entscheidende Frage sein, ob die
Steuerpolitik der neuen Regierung darauf abzielen wird, diese
Pensionen durch eine Umverteilung der gesellschaftlichen
Wertschöpfung von oben nach unten zu finanzieren!
Die Parteien haben uns die Sicherung des Gesundheitswesens
versprochen. Wir brauchen mehr Geld dafür, weil wir länger leben und somit auch länger gepflegt oder medizinisch betreut werden müssen. Wird die neue Regierung bereit sein, unser Gesundheitswesen über eine strukturelle Änderung des Steuersystems zu sichern und zu finanzieren oder aber wird Sicherheit in diesem für uns alle wichtigen Bereich heißen, dass Leistungen gekürzt oder so verteuert werden, dass sie nicht mehr für alle BürgerInnen zugänglich bzw. leistbar sind?
Die Arbeitslosigkeit soll bekämpft werden. Bedeutet dies, dass die
neue Regierung die Arbeitslosen bekämpfen wird, indem sie ihre Bezüge kürzen, die Bestimmungen der Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes verschärfen bzw. das Ausräumen der Versicherung zur Budgetsicherung fortsetzen wird? Oder aber wird die neue Regierung dafür Sorge tragen, dass genügend Steuergeld für die berufliche Qualifikation der Arbeitslosen zur Verfügung gestellt werden kann, dass die Lohnnebenkosten gesenkt werden, ohne dass es zu einem Absinken der sozialen Leistungen kommt? Wird die neue Regierung, um diese notwendige Finanzierung zu gewährleisten, die Wertschöpfungsabgabe einführen, eine Abgabe, die jene Firmen
steuerlich begünstigt, die Arbeitsplätze schaffen und erhalten, und die jene mehr besteuert, die Arbeitsplätze vernichten, dabei die
Gewinne jedoch maximieren? Wofür haben sich dieÖsterreicherInnen am
Wahltag entschieden?
Bildung und Ausbildung soll ein Schwerpunkt der Regierungsarbeit
sein. Bedeutet das die Errichtung eines Zweiklassen-Bildungssystems,
in dem die Kinder der Wohlhabenden an teuren Privatschulen und
Spezialuniversitäten ihren beruflichen Erfolgsweg beginnen und der
übergroße Rest der Bevölkerung seinen Werdegang in weniger
gut gerüsteten öffentlichen Schulen und Universitäten, deren Besuch immer höhere Kosten verursacht, beginnt? Wird die Finanzierung der Bildung zur Privatsache am freien Markt werden oder nach wie vor eine vorrangig staatliche Aufgabe bleiben, welche die Chancengleichheit und den freien Zugang zu einem qualitativ hochwertigen Bildungswesen für alle BürgerInnen gewährleistet? Moderne europäische Volkswirtschaften brauchen eine jährliche
Steigerung des Bruttoinlandsproduktes von ca. 2,5% um die gegebene
Zahl von Arbeitsplätzen zu sichern. Andernfalls führt die
Produktivitätssteigerung zur Vermehrung der Arbeitslosigkeit. Das
bedeutet, dass in einem Land mit hohen sozialen Standards die
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nur erfolgreich sein kann, wenn es
gelingt die berufliche Qualifikation zu steigern.
Wird die neue Regierung unter dem bildungspolitischen Schwerpunkt die
Privatisierung des Bildungsbereichs und die Kürzung staatlicher
Mittel dafür verstehen oder aber wird sie dafür sorgen, dass der Staat über jene Mittel verfügen kann, die er für die
Aufrechterhaltung unseres international angesehenen Bildungswesens
sowie für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit braucht? Wie werden die Parteien den Wählerauftrag deuten?
Wir leben in einem der reichsten Länder der EU und der Welt. Trotzdem steigen seit 20 Jahren die Gewinne schneller als die Löhne, hatte Österreich heuer die geringsten Lohnsteigerungen aller EU-Staaten, besitzen 10% der Bevölkerung an die 50% des Volksvermögens, tragen die kleinen Leute anteilsmäßig am meisten zum Steueraufkommen der Republik bei. Und trotzdem sind 13% der Bevölkerung armutsgefährdet. Die Steuer- und Abgabenpolitik ist der Schlüssel zum modernen
Wohlfahrtsstaat. Es geht nicht um die Bekämpfung der Wohlhabenden und Superreichen, sondern um die Aufbringung der notwendigen Mittel um den Sozialstaat zu sichern. Ein Land wie Schweden beweist der
gesamten EU, dass eine gerechte Besteuerung der wohlhabendsten
Schicht des Landes den Wohlfahrtsstaat nicht gefährdet sondern
sichert. Denn der Sozialstaat ist der wirtschaftlich gesehen
konkurrenzfähigste Staat!
Wird die neue Regierung die notwendigen Schritte setzen um die
neoliberale Umverteilung von Arm zu Reich zu verhindern und um die
öffentlichen Aufgaben des Staates erfüllen zu können? Wird
sie die notwendigen Maßnahmen dafür im Inland ergreifen und im Rahmen der EU auf deren Umsetzung drängen? Wird diese neue Regierung verstehen, dass das Wählervotum, welches auf den Versprechen der einzelnen Parteien beruht, ein Auftrag ist, den es umzusetzen gilt?
Aus der Sicht der Steuerinitiative gibt es nur eine Möglichkeit, die Wahlversprechen auch tatsächlich umzusetzen. Wir brauchen eine Reform des Steuersystems, eine Reform, die sich an folgender
Schwerpunktsetzung orientiert:
Einführung einer Wertschöpfungsabgabe
Steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit
Ökologischer Umbau des Steuersystems
Senkung der Lohnnebenkosten ohne Gefährdung des bestehenden
Sozialsystems
Anhebung von Vermögens- und Gewinnsteuern (mindestens auf das
Durchschnittsniveau der EU-Staaten)
Besteuerung von Stiftungen im Ausmaß von Arbeitseinkommen Besteuerung von Finanzspekulationen, um das Kapital in die produktive
Wirtschaft zu lenken (Tobintax)
Die Versprechen der Politiker werden wir auch nach der Wahl nicht
vergessen! Am notwendigen Umbau des Steuersystems, daran, welche
steuerpolitischen Lenkungseffekte die neue Regierung setzen wird,
werden wir ihre Arbeit beurteilen. Setzt die neue Regierung jedoch
keine Schritte im Sinne dieses Umbaus des Steuersystems, so werden
die BürgerInnen einen solchen mittels einer Volksabstimmung erzwingen
müssen.
www.steuerini.at
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