DER STANDARD
Freitag, 29. November 2002, Seite 11


Streitschlichter in der Klasse

Gewalt an der Schule beginnt schon in den Volksschulklassen - und ist in erster Linie eine "Bubensache". Das Gymnasium Rahlgasse versucht seit Jahren die klassischen Rollenbilder aufzubrechen und bildet bereits eigene "Streitschlichter" unter den Schülern aus.
Wien - "Bullying" beginnt schon in der Volksschule. Und auch wenn die Kids mit diesem Wort noch überhaupt nichts anzufangen wissen, haben es nur allzu viele schon am eigenen Leib verspürt: In einzelnen Klassen sind es bis zu 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die sich als Opfer von Gewalt sehen, wie die Bildungspsychologen Moira Atria, Christiane Spiel und Manuela Lehner vom Institut für Psychologie der Universität Wien in einer Studie feststellten. Bei dieser Bestandsaufnahme in 18 vierten Volksschulklassen in Oberösterreich zeigte sich auch, dass Buben vor allem Täter offener, physischer Gewalt sind, während Mädchen vor allem psychische Aggression ausüben. "Insgesamt sind Buben aber aggressiver als Mädchen", betont Atria. Genau solche Phänomene sind es, gegen die das Wiener Gymnasium in der Rahlgasse mit "bewusster Koedukation" gegenzusteuern versucht. Denn wie sich zeigte, sind Mädchen bei einer "unbewussten" gemeinsamen Erziehungsarbeit oft allein deshalb benachteiligt, weil ihre sozialen Kompetenzen als selbstverständlich hingenommen - und auch eingesetzt werden. Wenn etwa ein Mädchen zwischen rivalisierende Burschen gesetzt wird. Daher wurde seit dem vergangenen Jahr in der Rahlgasse das Konfliktmanagement in Klassen "professionalisiert": Je ein Mädchen und ein Bub der 2. und 3. Klassen, die sowohl die Bereitschaft als auch die Akzeptanz der Klasse mitbrachten, wurden von schulfremden Mediatoren in zehn Doppelstunden zu "Streitschlichtern" ausgebildet. Jetzt können diese in Konfliktfällen kontaktiert werden, wobei die Schülermediatoren nicht als "Schlichtungsstelle" agieren, sondern den Konfliktparteien helfen, selbst Lösungen zu entwickeln. Gleichzeitig wird aber im Gymnasium Rahlgasse generell darauf geachtet, dass sowohl Mädchen als auch Burschen sich abseits von vorgegebenen Rollenbildern entwickeln können. In Workshops, beim "Gendertraining", bei "Mädchen- und Bubentagen". Immer wieder werden die "Rollen" gewechselt. Sei es, dass die Mädchen Solarmodule basteln - oder im Turnsaal catchen. Sei es, dass die Buben Menüs entwerfen, einkaufen und dann kochen. Wobei die Direktorin Heidi Schrodt nur einen "phasenweise getrennten Unterricht" für sinnvoll erachtet - und auch lieber von "geschlechtshomogenem Unterricht" spricht. Etwa bei derartigen geschlechtssensiblen Projekten. Oder in der Einstiegsphase des Physikunterrichtes. Seit fünf Jahren gibt es einen regen Austausch in diesen Koedukationsfragen mit Partnerschulen in Hamburg und Stockholm im Rahmen eines Comeniusprojektes. Die Ergebnisse sind nun auch in einer eigenen Hompage nachzulesen, die am Donnerstag präsentiert wurde. (APA, frei)

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